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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Amerikas Highways etwas Beruhigendes an sich hatten. Sie erstreckten sich in endlosen, geraden Linien, gingen in ausgedehnte Schleifen über und zogen mit ihren Hunderttausenden kleinen Verbindungenein riesiges Gitternetz über das Land, wie Arterien in einem Körper. Es hatte keinen Anfang und kein Ende.
    Neben ihm rührte sich Anne Hampton.
    Nichts hatte kein Ende.
    Er entdeckte eine Reklametafel für das Autorennen und spürte eine angenehme Erregung. Sie wird etwas über Schicksalsergebenheit lernen, dachte er. Wieder eine Lektion.
     
    Anne Hampton erwachte, als Jeffers in die Mautstelle fuhr. Sie streckte die Arme so weit, wie es ihr der begrenzte Platz im Wagen erlaubte. Sie drückte die Beine gegen den Wagenboden, um ihre Muskeln wiederzubeleben. »Sind wir da?«, fragte sie.
    »Beinahe. Ein paar Kilometer diese Straße weiter. Immer den Schildern und den frisierten Schlitten nach.«
    Ein zehn Jahre alter, feuerwehrroter Chevrolet mit angehobenem Heck bretterte an ihnen vorbei. Sie wusste, dass es ein Chevrolet war, weil jedes Fenster mit riesigen weißen Chevy-Abziehbildern geschmückt war.
    »Der Kerl sieht doch nichts mehr«, rutschte es ihr heraus.
    Jeffers lachte.
    »Nein, aber das ist ihm auch nicht so wichtig. Entscheidend ist, wie es aussieht, so banale Gesichtspunkte wie Sicherheit sind da Nebensache.«
    »Aber hält ihn denn nicht die Polizei dauernd an, weil er die Sicht aus den Fenstern verdeckt hat und weil er keine Schalldämpfer hat?«
    »Ich wette, er hat Schalldämpfer. Wahrscheinlich Durchgangsdämpfer aus Fiberglas. Jedenfalls war das der letzte Schrei, als ich vor zwanzig Jahren an der Highschool war. Glasdämpfer und ein Hemi-Motor, was immer das sein mag, waren ein Muss. Und dass die meisten Cops die Kids nicht anhalten,liegt vermutlich daran, dass sie vor nicht allzu langer Zeit genauso waren. Sie können sich nur zu gut daran erinnern, welche Mühe sie selbst den Bullen bereitet haben, und sie sind klug genug, jetzt, da sie eine Kanone und eine Polizeimarke haben, sich nicht aufzuspielen. So ein Junge müsste hundertdreißig fahren, damit sie ihn drankriegen können. Es sei denn, der Bulle hatte am Morgen gerade einen Streit mit seiner Frau, die Kinder hätten längst in der Schule sein müssen, haben aber noch im Hintergrund geschrien. Er ist ein einziges Nervenbündel und hat nur drauf gewartet, dem Jungen einen Strafzettel zu verpassen – für sein eigenes mieses Leben.«
    Jeffers sah Anne Hampton an, die grinsend nickte.
    »Siehst du«, schloss er, »nichts Neues unter dem Himmel.«
    An der Einfahrt zum Renngelände mussten sie in einer Schlange von fast zwanzig Wagen warten. Anne Hampton kurbelte das Fenster herunter und nahm die Geräuschkulisse aus dem Stadion in sich auf. Das Heulen und Dröhnen der Motoren erinnerte sie zuerst an die Laute von Tieren auf Partnersuche. Dann erkannte sie, dass jeder Motor anders klang, alle zusammen aber mit ihren unterschiedlichen Tonhöhen eine einzige Geräuschkulisse bildeten. Es war wie ein akustischer Flickenteppich aus sehr verschiedenen Stoffen.
    Der Parkplatz bestand aus einem ungeteerten Feld, auf dessen braunem Staub sich die leuchtend bunten Pkw und Trucks aneinanderreihten. Jeffers parkte in der Nähe einer Telefonzelle mit einem handgeschriebenen Zettel daran, der diesen Bereich als 12A kennzeichnete.
    »Warte einen Moment«, wies er sie an.
    Sie blieb still sitzen, während er ausstieg. Sie sah ihn ein Stück weit den Gang zwischen den beiden Autoreihen entlanglaufen und hinter zwei Sportwagen stehen bleiben. Er schrieb etwas auf und kam in wenigen Sätzen zu ihr zurück. Bevor erihr die Tür aufmachte, öffnete er den Kofferraum und holte ein paar Gegenstände heraus, die sie nicht sehen konnte.
    Sie dachte nur: Das gehört alles zu einem Plan.
    Ihr sackte das Herz in die Magengrube, und sie sah sich nach den Paaren und Gruppen um, die über den Parkplatz Richtung Rennstrecke schlenderten. Es war ein stetiger Menschenstrom, und sie vermutete, dass die Veranstaltung gut besucht war.
    Ihr wurde zuerst heiß, dann kalt, und wenn sie sich absichtlich hätte übergeben können, hätte sie es getan. Sie dachte an den Obdachlosen und den Mann auf der Straße von St. Louis.
    Wir werden es wieder tun.
    Sie schüttelte den Kopf und zitterte ein wenig. Die Reise zu Jeffers’ Erinnerungen und Wegmarkierungen war zwar makaber, aber wenigstens sicher – da passierte nichts.
    Jeffers öffnete die Tür, und sie stieg aus.
    Doch als sie sich

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