Der Fotograf
machte den Weg frei.
Die wenigen Meter zum Auto zurück schlurfte er über die Erde. Nicht klug, einen Sohlenabdruck zu hinterlassen.
»Alles klar«, rief er den drei Insassinnen zu. »Nur noch ein Stückchen hier entlang.«
Er fuhr vorsichtig an, und sie holperten etwa zweihundert Meter weiter, bis sie um eine Kurve bogen. In diesem Moment erkannte Anne Hampton, dass sie von der Hauptstraße nicht mehr zu sehen waren.
»So, dann mal raus mit euch«, forderte Jeffers sie in fröhlich forschem Ton auf. »Schließlich wollen wir alle möglichst schnell zurück und das letzte Rennen sehen, also, los geht’s.«
Anne Hampton registrierte, dass er sich seine braune Fototasche über die Schulter geworfen hatte. Sie zögerte einen Moment und blickte den beiden Frauen hinterher, die Jeffers in den Wald folgten. Die müssen blind sein, dachte sie. Wie können sie ihm nachlaufen? Im nächsten Moment merkte sie, wie ihre eigenen Füße sich in Bewegung setzten und sie losrannte, um ihn einzuholen.
»Junge«, meinte Vicki oder Sandi – sie konnte die beiden nicht mehr auseinanderhalten –, »das ist wirklich aufregend.«
»Ist es immer«, erwiderte Douglas Jeffers. »Auf vielfältige Weise.«
Anne Hampton fürchtete, sich übergeben zu müssen, sobald sie stehen blieb. Ihr Atem kam in kurzen Stößen, und ihr drehte sich der Kopf. Die Hitze legte sich wie eine kratzige, unbequeme Wolldecke auf ihren Körper. Vicki und Sandi hörten sie keuchen und drehten sich zu ihr um.
»Rauchst du? Nein? Aber du klingst ein bisschen eingerostet. Ein kleiner Waldspaziergang sollte dir eigentlich nicht …«
»Ich bin nur ein bisschen krank gewesen«, erwiderte Anne Hampton. Sie hörte, dass ihre Stimme zitterte.
»Oh, tut mir leid. Du solltest Vitamintabletten nehmen, so wie ich. Jeden Tag. Hast du schon mal Aerobic ausprobiert? Ich kann nicht genug davon kriegen. Oder auch Joggen, gut für die Puste. Ich würde am liebsten den Job bei der Bank schmei ßen und im Fitnessclub Aerobic unterrichten. Das wäre toll. Alles in Ordnung?«
Anne Hampton nickte. Sie traute ihrer Stimme nicht.
»Versuch’s mal mit Joggen«, fuhr die andere fort. »Du musst langsam anfangen, vielleicht nur ein, zwei Kilometer am Tag. Und dann allmählich steigern. Das macht unheimlich viel aus.«
Douglas Jeffers blieb plötzlich stehen.
»Na, wie findet ihr das? Hübsch, nicht wahr?«
Er stand unter einer Fichte am Rand einer kleinen Lichtung. Selbst Anne Hampton musste trotz ihrer zunehmenden Panik einräumen, dass es ein schönes Fleckchen war. Das machte es noch schlimmer.
Mitten auf der Lichtung ragte ein Felsbrocken aus dem Boden. Er war ebenso wie das Gras in Licht getaucht. Die strenge Phalanx Fichten ringsum stand wie ein Wachbataillon vor dem blauen Himmel. Als sie den Platz erreichte, hatte Anne Hampton das Gefühl, als beträte sie einen stillen Raum und die Tür fiele hinter ihr zu.
»Also, meine Damen, da drüben zu dem Felsen, wenn ich bitten darf. Boswell, her zu mir.«
Sie stellte sich neben Jeffers, und sie beide schauten zu, wie die Mädchen auf dem Felsbrocken Position bezogen. Jede von ihnen setzte einen Ausdruck auf, den sie für den Inbegriff an Sexappeal hielt. Jeffers trat in die Sonne und warf einen Blick in den wolkenlosen Himmel. »Strahlend hell«, sagte er. »Ein harmloser Tag voller Sonnenschein.« Er ging zügig auf die Frauen zu und hielt neben ihnen einen Belichtungsmesser hoch. Anne Hampton beobachtete, wie er seine Kamera einstellte und dann seine Fotos schoss, wobei er seine Modelle mit einem ununterbrochenen, hypnotisierenden Wortschwall anfeuerte: »Genau so, jetzt lächeln, jetzt will ich ein Schmollmündchen sehen, wirf mal den Kopf zurück, gut, gut, das ist phantastisch. Jetzt dreht euch ein bisschen, bleibt immer in Bewegung, ja, so ist gut, sehr gut …«
Sie verfolgte die Darbietung und fragte sich: Wo hat er die Pistole? Oder wird es ein Messer sein? Muss in der Fototasche stecken. Was genau hat er vor? Macht er kurzen Prozess? Oder zieht er es in die Länge? Was will er mit ihnen machen? Er wird sich Zeit lassen. Wir sind allein, es ist still, und er hatkeine Eile. Von der prallen Sonne wurde ihr ein wenig schwindelig, und sie hatte Angst, in Ohnmacht zu fallen. Sie kniff die Augen zu. Ich bleibe ich, schärfte sie sich ein. Ich bin allein und habe nichts damit zu tun, ich bin ich, und ich werde stark sein und ich werde es schaffen. Schaffen. Schaffen. Schaffen. Sie wiederholte das Wort wie ein
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