Der Fotograf
und die Audubon-Gesellschaft ist hier scharenweise rausgepilgert. War fast wie eine Festtagsparade. Tolle Sache. Waren Sie da noch nicht dabei?«
»Nein, das ist mein erstes Jahr.«
»Na ja«, erwiderte Jeffers, »bin trotzdem erstaunt, dass Sie nichts davon gehört haben. Ich glaube, eins von den Fotos hängt bei Ihnen in der Zentrale.«
»Haben Sie, ähm, irgendeine Genehmigung oder einen Ausweis bekommen oder so was in der Art?«
»Klar«, antwortete Jeffers. »Der müsste in Ihrer Dienststelle in der Fotografenakte sein. Wahrscheinlich direkt unter dem Adler.«
»Muss ich nachsehen«, sagte der Ranger. »Ich wusste gar nicht, dass wir eine solche Akte haben.«
»Kein Problem. Schauen Sie unter meinem Namen nach: Jeff Douglas.«
»Sind Sie Profi?«
»Nein«, räumte Jeffers ein. »Ich wünschte, ich wär’s. Ich meine, ich hab ein paar Fotos verkauft. Eins sogar an den
National Geographic,
aber sie haben es nie gebracht. Es ist eigentlich nur ein Hobby. Ich verkaufe Versicherungen.«
»Aha«, machte der Ranger. »Ich muss es trotzdem überprüfen.«
»Sicher. Und wie heißen Sie, damit ich Ranger Wilkerson anrufen kann, falls es Unklarheiten gibt?«
»Ach so, ich bin Ted Andrews. Ranger Ted Andrews.« Er lächelte. »Bis ich mich an den Klang gewöhnt habe, fängt das Semester an.«
Jeffers lächelte ebenfalls. »Also, ich bin für heute ohnehin fast fertig. Ich möchte nur noch mal zurück und sicherstellen, dass ich keine Filmschachteln oder sonst was rumliegen lasse. Ich mache nicht gerne Dreck.«
»Das wissen wir zu schätzen. Sie glauben nicht, was manche Leute alles wegschmeißen. Und ich darf’s am Ende aufsammeln.«
»Mädchen für alles, wie?«
Der Ranger lachte. »Ja.«
»Sie brauchen nicht auf mich zu warten«, sagte Jeffers. »Gehen Sie und sehen Sie in der Akte nach, das nächste Mal komm ich bei Ihnen im Büro vorbei, und Sie werden sehen, dass alles seine Ordnung hat.«
»Das wäre nett«, meinte der junge Mann. Er drehte sich um und ging zu seinem Jeep, während Jeffers dem Mann einen bohrenden Blick in den Rücken schickte. Jetzt könnte ich es tun, und es wäre ganz leicht. Er schätzte die Entfernung ab. Ein einziger Schuss, niemand würde etwas hören. Niemandwürde etwas wissen. Seine Hand legte sich um den Pistolengriff, doch dann ließ er die Waffe wieder in die Tasche gleiten. Er winkte noch einmal und sah dem Jeep hinterher, wie er an seinem Wagen vorbei den schmalen Waldweg entlangholperte.
»Verdammt«, fluchte Jeffers in kaltem Ton. »Scheiße noch mal.«
Für einen Moment überkam ihn eine Woge der Wut, und er hatte das überwältigende Bedürfnis, etwas mit den Händen zu zerschlagen. Er holte tief Luft. Dann noch einmal. Er spuckte auf den Boden, um den gallebitteren Geschmack im Mund loszuwerden. Einer wird dafür büßen, dachte er.
Doch was er aussprach, klang anders: »Die kommen mit dem Leben davon.«
11. KAPITEL
Eine Reise nach New Hampshire
16.
Detective Mercedes Barren fuhr forsch zwischen den graugrün schimmernden Autobahnlaternen entlang, die gegen die spätnächtliche Dunkelheit ankämpften. Es war kurz vor drei Uhr, und sie hatte die Straße fast für sich allein. Gelegentlich schlingerte in der Ferne ein Sattelzug vorbei und jaulte herzerweichend auf wie ein angeschlagenes Tier, bevor er aus dem Lichtschleier in die schwarze Nacht verschwand. Sie trat fest aufs Gas, als könnte sie aus dem Schub der Motorleistung eigene Kraftreserven schöpfen. Sie war erschöpft, doch nicht in der Lage, Schlaf zu finden. Sie wusste, dass die Bilder, die ihr im Gedächtnis brannten und die sie so achtlos in einer Papiertüte auf den Beifahrersitz geworfen hatte, sie eine Zeitlang am Schlafen hindern würden.
Der Wagen dröhnte, und sie versuchte, sich ganz auf das Geräusch zu konzentrieren, um die Schrecken der letzten Stunden zu verdrängen. Sie wies den Gedanken an Douglas Jeffers’ Wohnung zurück, auch wenn sich ein letzter Anblick nicht aus ihrem Gedächtnis vertreiben ließ: Sie sah Glasscherben und Dutzende zerbrochene oder verbogene Bilderrahmenauf dem Boden verstreut. Vor lauter Panik und Entsetzen hatte sie auf ihrer Suche nach den versteckten Horrorvisionen die vorderen Bilder schließlich einfach zerrissen. Die Überreste von Jeffers’ Kunst lagen haufenweise im Wohnzimmer herum, so dass ihr von allen Seiten abgetrennte Gesichter oder Teile von Szenen entgegenstarrten. Sie hatte die Lebensmitteltüte genommen, mit der sie den neugierigen
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