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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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wanderte. Er hatte ihn einige Jahre zuvor in Florida gekauft, nur wenige Wochen, bevor dort ein neues, etwas strengeres Waffengesetz verabschiedet wurde. Dann hatte er die Pistole einfach als gestohlen gemeldet. Der National Rifle Association sei Dank.
    Einen Moment lang starrte er auf das leere Safe-Kästchen und dachte daran, wie beruhigend es gewesen war, dass dies alles für den Fall, dass er es brauchte, bereitgelegen hatte. Mein Notausgang.
    Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Australien, sagte er sich. Ein phantastischer Ort, um neu anzufangen. »Tie me kangaroo down, sport.«
    In Gedanken summte er auf seinem Weg zu Miss Mansours Schreibtisch »Waltzing Mathilda«.
    »Fertig?«, fragte sie fröhlich.
    »Alles in bester Ordnung«, antwortete er.
    Er unterschrieb ein paar Papiere und stellte fest, dass ihm der neue Namenszug leicht von der Hand ging.
    Hallo, begrüßte er sich. Nett, Sie kennenzulernen. Was, sagten Sie noch gleich, machen Sie beruflich? Was immer dir gefällt. Egal, was.
    Als er das Dunkel der Bank verließ, blendete ihn die helle Sonne, und er brauchte einen Moment, bis sich seine Augen umgestellt hatten. Er sah zu Anne Hampton hinüber, die im Wagen saß und wartete.
    Nicht mehr lange, Boswell.
    Er summte zufrieden vor sich hin und überquerte die Straße. Er nickte einer älteren Dame zu, die an ihm vorbeikam, und grüßte zwei kleine Jungen, vermutlich nicht älter als sechsoder sieben, die ihre letzten Ferientage vor Schulbeginn mit Schokoladeneis versüßten.
    Anne Hampton sah zu ihm auf.
    »Gehen wir an den Strand«, sagte er.
     
    Den größten Teil des Tages döste sie, während Douglas Jeffers quer durch Massachusetts Richtung Cape Cod fuhr. Er schien in Gedanken, aber sorglos. Er machte das Radio an und fand einen Sender, der Rock ’n’ Roll aus den Sechzigern spielte, der einzigen Musik, wie er sagte, die man sich im Radio anhören konnte. Gut gelaunt bestand er darauf, der einzige Musiker, den er überhaupt ernst nehmen konnte, sei der Kerl aus New Jersey, und das auch nur, weil er sich wie jemand benahm, der aus einer Epoche von vor zwanzig Jahren stammte. Er erzählte ihr, er hätte nur einmal den Auftrag gehabt, bei einem Rock-Konzert zu fotografieren.
    »Das einzige Mal, dass ich wirklich um mein Leben gefürchtet habe. Wir sollten unten vor der Bühne in Stellung gehen, und als diese vier Jungs in Strumpfhosen, Glitzer-Make-up und Federboas herausstolzierten, drängte sich hinter uns alles nach vorne, verflucht noch mal. Ich dachte, ich werde von einer Horde tränenseliger Jugendlicher zerquetscht. Sämtliche Kameraleute kämpften mit dem Rücken zur Wand, und als ich den Kopf hob, sah ich, wie einer der Musiker mit glänzenden Augen und blondem Haar, das ihm bis zum Hintern reichte, die Arme in die Höhe hob und die Stimmung in der Zuschauermenge noch weiter anheizte. Tod durch Rock ’n’ Roll …« Douglas Jeffers lachte. »Da stolperte ich also immer weiter rückwärts gegen die Bühne, überall schreiende Gören, kein Platz, um auch nur einen Fuß auf den Boden zu bekommen, und ich konnte nur daran denken, dass uns unsere Eltern genau davor gewarnt hatten. Eine Kommunistenverschwörung.Damals zumindest kam es den Leuten so vor.«
    Er fuhr gemächlich und ließ sich häufig überholen. Er schien keine Eile zu haben, hielt sich aber offensichtlich an einen Zeitplan. Als sie die Ausfahrt zur Route 6 erreichten, die sich von dort aus bis zum Cape Cod hinauswindet, verblasste bereits der Nachmittag. Sie war noch nie am Cape gewesen und sah sich interessiert die etwas heruntergekommenen Antiquitätenhandlungen, die Süßwarengeschäfte und T-Shirt-Läden an, die sich am Straßenrand mit Fastfood-Restaurants und Tankstellen abwechselten.
    »Ich versteh das nicht«, sagte sie. »Ich dachte, Cape Cod wäre schön.«
    »Ist es auch«, antwortete Jeffers. »Zumindest da, wo wir hinwollen. Es hat niemand behauptet, die Straße dahin wäre schön. Ist sie auch nicht. Sie hält eher einen Weltrekord an Hässlichkeit.«
    Im letzten Tageslicht überquerten sie die Bourne Bridge. Anne Hampton sah darunter in der Tiefe Lastschiffe langsam den Kanal entlangziehen. Vor ihnen lag ein Kreisverkehr, und Jeffers murmelte etwas über die darwinistische Überlebensstrategie der Autofahrer in Massachusetts. In einem Imbiss in Falmouth aßen sie zügig etwas zu Abend, dann fuhren sie zur Anlegestelle der Fähre im Woods Hole Ferrydock. Der weiße Lack eines Boots der Küstenwache leuchtete in

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