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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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fest.
    Sie drehte sich um und spähte durch das Schaufenster des Feinkostgeschäfts. Sie sah Jeffers an der Kasse stehen, um den Kaffee und die Doughnuts zu bezahlen. Sie sah zu, wie er sein Wechselgeld einsteckte und aus dem Laden schlenderte. Wie immer versetzte er sie in Staunen. Er pfiff ein Lied und schienvöllig unbeschwert, von so etwas Banalem wie Angst oder Schuldgefühlen keine Spur.
    »Für dich ist dieses Glibberding«, sagte er, als er in den Wagen stieg. »Dazu Kaffee und Saft.«
    Er deutete Richtung Stadt. »Hübsch, hm? Es wimmelt von Boutiquen und kleinen Geschäften. Der
Yankee
bringt ständig Bilder von Jaffrey. Glückliche weiße Frauen vor Tischen mit frischem Gebäck. Kattun. Das ist eine Kattun-Stadt. Und Rohwolle im Winter. An so einem Ort fällt ein Touristenpaar mit einem Kennzeichen aus einem anderen Bundesstaat nicht weiter auf.«
    Er kurbelte die Scheibe herunter.
    »Das wird ein mächtig heißer Tag«, vermutete er. »Der Spätsommer ist hier oben völlig unvorhersehbar. Mal wirbelt ein bisschen kanadische Luftmasse herein, und es schneit. Dann wieder bringen die Überlandströmungen Schwüle aus dem Süden herbei, und die Temperaturen steigen auf über fünfunddreißig Grad.« Er zog eine Sonnenbrille aus der Tasche und wischte sie am Hemdschoß sauber. Sie spürte den Hitzeschwall, der in sie einzudringen schien. Sie nippte an ihrem Kaffee, während Jeffers die Zeitung aufschlug. Er überflog die Seiten.
    »Nein, nein, nein, hier, sieh mal, aha! Da steht was.«
    Er las zuerst schweigend, dann laut: »Zwei Tote bei Verkehrsunfall in Vermont. Zwei Teenager ver unglückten Montagnacht tödlich, als ihr allradgetriebener Wagen vier Meilen von Woodstock, Vermont, entfernt aus der Kurve getragen wurde und auf eine Nebenstraße geriet. Die Polizei vermutet, dass die beiden Jugendlichen, Daniel Wilson, siebzehn, und Randy Mitchell, achtzehn, vor dem Unfall, der sich um 21:45 an der Kreuzung State Road zweiundachtzig und Ravine Drive ereignete, unter Alkoholeinfluss standen …«
    Er sah Anne Hampton an.
    »Ich kann weiterlesen. Es folgen noch ein paar Absätze.«
    Sie antwortete nicht, sondern trank ihren Kaffee und wusste den bitteren Geschmack zu schätzen.
    »Nicht? Dachte ich mir.«
    Er warf ihr die Zeitung auf den Schoß. »Lies selbst.«
    Als sie den gereizten Unterton hörte, saß sie aufrecht.
    »Und jetzt hab ich etwas Geschäftliches zu erledigen. Ich möchte, dass du im Wagen wartest.«
    Sie nickte heftig.
    »Gut. Es ist schon fast zehn. Müsste ungefähr eine Stunde dauern.«
    Jeffers nahm seine Aktentasche und ging.
    Sie sah ihm nach, als er die Straße überquerte und in der Nationalbank von New Hampshire verschwand. Einen Moment lang war sie in Panik und blickte wild in alle Richtungen: Er will eine Bank ausrauben!, dachte sie. Dann wurde ihr klar, wie albern die Vorstellung war, und sie lehnte sich wieder auf ihrem Sitz zurück.
    Ihr kam kein Gedanke an Flucht, selbst dann nicht, als ein Streifenwagen langsam an ihr vorüberrollte. Die Vorstellung, dass sie aufstehen, einen Polizisten heranwinken und dem Alptraum ein Ende setzen könnte, schien aberwitzig naiv. Ein Ding der Unmöglichkeit. Sie hatte nicht das geringste Vertrauen in eine naheliegende, einfache Auflösung. Sie wusste, dass sie immer noch machtlos war; dass Douglas Jeffers für sie beide sämtliche Strippen zog. Sie konnte nur an den Augenblick denken, an die Hitze, die ihr zu schaffen machte. Sie fragte sich, was im nächsten Moment passieren würde, und schloss die Augen, so dass sie ihre Umgebung vergessen und in sich hineinsehen konnte. Finde Kraft, redete sie sich gut zu. Sie versuchte zu ergründen, ob sie noch einen Funken Mut inden Knochen hatte. Sie wusste, dass sie ihn brauchte, um zu überleben.
     
    In der Bank war es kühl und dunkel, und Douglas Jeffers nahm gemächlich die Sonnenbrille herunter. Es war ein altmodischer Bau, mit hoher Decke und hochglanzpolierten Böden, auf denen die Absätze klickten. Jeffers ging zu einer Gruppe Tische hinüber, an der die Angestellten arbeiteten. Eine Sekretärin sah lächelnd zu ihm auf.
    »Ich möchte zu Miss Mansour. Douglas Allen. Ich habe einen Termin.«
    Die junge Frau nickte und griff nach dem Telefon. Jeffers sah, wie eine Frau in mittlerem Alter mit einem offenen Gesicht den Hörer abnahm und nickte. Wenig später schüttelten sie sich die Hand, und sie forderte ihn auf, in dem Sessel neben ihrem Tisch Platz zu nehmen. Sie zog einen Schnellhefter heraus,

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