Der Fotograf
festen Überzeugung, die Mannschaft aus Los Angeles bestünde aus lauter Libanesen.
Eine Woche vor Prozessbeginn bekam sie abends einen Anruf von Detective Perry. Er klang aufgeregt.
»Merce«, sagte er, »morgen fällt die Entscheidung.«
»Was?«
»Morgen muss er sich schuldig oder nicht schuldig bekennen.«
»Kein Prozess?«
»Nein. Er wird die drei Fälle gestehen.«
»Und was springt dabei für ihn heraus?«
»Er bleibt am Leben, weiter nichts.«
»Wie viel kriegt er?«
»Dreimal lebenslänglich. Er sitzt die Mindestzeit von fünfundzwanzig für jeden Fall ab – fünfundzwanzig Jahre, dreifach am Stück, knallhart, keine Begnadigung, keine Vergünstigungen – fünfundsiebzig schlimme Jahre. Außerdem wird er sich zu ein paar tätlichen Angriffen bekennen, also kommt noch etwas obendrauf. Der erhält locker hundert Jahre. Wir können jetzt schon mal zum Gefängnis rausfahren und sein Grab schaufeln, denn da wird er mit Sicherheit sterben. Der kommt nie mehr raus.«
»Er hat die Todesstrafe verdient.«
»Merce, Merce, er steht morgen vor dem Richter. Der Mann hat schon ein Dutzend Mordfälle entschieden, einschließlich diesem Foltermord an dem Radfahrer, und bis jetzt hat er noch keinen von denen auf den elektrischen Stuhl gebracht. Sie erinnern sich doch an den Fall, Merce?«
»Ja.«
»Mit elektrischen Viehtreibstäben, Merce. Mit Feuerzeugen.«
»Ja, verdammt, ich entsinne mich.«
»Die Jungs sitzen nur fünfundzwanzig Jahre ab.«
»Trotzdem …«
Er fiel ihr ins Wort.
»Natürlich finden Sie das zum Kotzen. Das finden auch die Familien der anderen Opfer, aber sie haben sich einverstanden erklärt. Außerdem machen sich alle ein bisschen Sorge wegen der Schuldunfähigkeitssache.«
»So ein ausgemachter Blödsinn! Auch wenn der Kerl ’ne Schraube locker hat …«
Er unterbrach sie ein zweites Mal.
»Ich weiß, ich weiß. Aber die Burschen, die ihn verteidigen, haben sogar den Scheißkerl in die geschlossene Anstalt gebracht, der letztes Jahr seine Freundin mit der Bügelsäge zerkleinert hat.«
»Schon, aber …«
»Kein Aber. Wollen Sie das Risiko eingehen?«
Sie überlegte einen Moment. Bevor sie etwas sagen konnte, sprach Detective Perry bereits weiter.
»Und dass Sie nicht auf den Gedanken verfallen, sich den Knaben selbst vorzuknöpfen. Ich weiß von all diesen Besuchen im Gefängnis, Merce. Daran dürfen Sie nicht einmal denken.«
»Er hat den Tod verdient.«
»Merce«, sagte Detective Perry. Sein Ton war sanfter als davor. »Merce, lassen Sie’s gut sein. Der Mistkerl ist aus dem Verkehr gezogen. Für immer. Es ist vorbei, verstehen Sie? Zwingen Sie mich nicht, Ihnen diese Gardinenpredigt zu halten, verdammt, wahrscheinlich können Sie sie vorwärts und rückwärts herunterbeten. Es ist vorbei. Vorbei. Geht das in Ihren Schädel?«
»Vorbei.«
»Ja.«
»Vorbei.«
»Und zwar genau morgen um neun Uhr.«
»Bis dann«, sagte sie und legte auf.
Sadegh Rhotzbadegh schien geschrumpft, verängstigt, zu frösteln, obwohl es im vollbesetzten Gerichtssaal heiß und stickig war. Als er Detective Barren auf ihrem üblichen Platz in der ersten Reihe entdeckte, rückte er dicht an einen seiner Pflichtverteidiger heran, der sich umdrehte und ihr einen finsteren Blick zuwarf. Als der Richter hereinrauschte, legte sich knisternde Spannung über den Saal.
Der ältere Mann mit verwegen wallendem weißen Haar ließ seinen wachen Blick über die Menschenmenge schweifen, über die zahlreich erschienenen Angehörigen der Opfer bis hin zu den Fernseh- und Zeitungsreportern, die sich hinter den Sitzreihen an die dunklen Wände drückten. Es war ein alter Saal, auf den ringsum die Porträts ehrwürdiger Richter blickten, die längst in Vergessenheit geraten waren.
»Wir hören zuerst Mr. Rhotzbadegh«, bestimmte er. »Es gibt, soweit ich weiß, ein Schuldbekenntnis des Angeklagten.«
»Ja, Euer Ehren.« Einer der jungen Staatsanwälte hatte sich erhoben. »Schlicht gesagt, wenn die Staatsanwaltschaft nicht auf Todesstrafe plädiert, wird sich der Angeklagte in allen Punkten schuldig bekennen. Somit erwartet Mr. Rhotzbadegh in allen Punkten die Höchststrafe, das heißt insgesamt einhundertelf Jahre.«
Er setzte sich. Der Richter blickte zum Tisch der Verteidigung.
»Das ist korrekt«, bestätigte einer der Verteidiger.
Der Richter sah den Angeklagten an. Der libanesische Student erhob sich.
»Mr. Rhotzbadegh, haben Ihre Anwälte Ihnen erklärt, worum es hier geht?«
»Ja, Euer
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