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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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verbannen, doch nachdem er sich erst einmal eingeschlichen hatte, drängte er sich immer weiter in den Vordergrund, bis er sie völlig gefangen nahm. Sie sah Szenen wie aus den Abendnachrichten vor sich: eine Horde Kameraleute, ein Trupp Kripobeamte, eine Traube Schaulustiger, die sich alle um ihre nackte Leiche drängten. In ihrer Vision versuchte sie, der Menge zuzuschreien, dass sie am Leben sei, dass sie noch atmen, weinen, denken konnte, doch niemand schenkte ihr Beachtung. Für diese Leute war sie, so lautstark sie auch das Gegenteil beteuern mochte, tot. In diesem Zustand sah sie, wie man sie – starr vor Angst – auf eine Bahre legte, um sie ins Leichenschauhaus zu schaffen. Es war, als blieben ihre Rufe stumm.
    Der Mann trat in ihren Tagtraum, und sie sah, dass er einen Revolver in der Hand hielt.
    »Ich habe noch andere Waffen«, erklärte er in gleichgültigem Ton.
    Sie brauchte einen Moment, bis sie wusste, ob dies ein Trugbild oder Wirklichkeit war. Dann wurde ihr nach und nach das dämmrige Licht bewusst, die beigefarbenen Wände, die Fesseln, die sie hielten, und sie kehrte aus dem Zwischenreich in das Motelzimmer zurück.
    »Heb die Hüften«, wies er sie an.
    Sie tat, was er verlangte.
    Er legte die Waffe weg und zog ihr Hose und Slip herunter.
    »Eine Schusswaffe ist etwas äußerst Kaltes«, sagte er.
    Damit legte er ihr den Revolver auf den nackten Bauch. Sie fühlte das Gewicht des kühlen Metalls. Er ließ ihn einen Moment dort liegen.
    Dann nahm er die Pistole wieder in die Hand. Sie beobachtete ihn, wie er abwechselnd von ihr zu der Waffe blickte.
    »Wenn du deine Identität zerstören wolltest«, überlegte er, »würdest du dir da nicht am ehesten in den Unterleib schießen?«
    Er deutete mit die Waffe zwischen ihre Beine.
    »O Gott, nein!«, wimmerte sie.
    Sie hörte, wie er den Hahn mit einem Klicken spannte. Sie sah, wie er den Lauf nach unten richtete. Sie warf sich wild auf dem Bett hin und her und bäumte sich gegen die Fesseln auf, während der Mann langsam zielte. Sie winselte wie ein Tier, ohne den Blick für eine Sekunde von dem schwarzen runden Loch des Revolvers abzuwenden. Es schien riesenhaft zu sein, groß genug, um sie ganz zu verschlingen. Ein letztes Mal zerrte sie an den Stricken, dann sackte sie auf das Bett zurück und gab sich geschlagen. Sie schloss die Augen nicht, sondern fixierte den Lauf der Waffe. Einen Moment lang glaubte sie zu sehen, wie die Kugel sich löste.
    Der Mann betrachtete sie von oben, zögerte eine Sekunde und drückte ab.
    Der Hahn schnellte mit einem Klicken herunter.
    »Leer«, sagte der Mann. Wieder drückte er ab. Es klickte auf einem weiteren leeren Zylinder.
    Als hätte ihr jemand auf den Rücken geschlagen, bekam sie plötzlich keine Luft mehr. Sie versuchte zu atmen.
    Er beobachtete sie aufmerksam. Dann zog er eine HandvollPatronen aus der Tasche und schob bedächtig eine nach der anderen in die Trommel.
    Sie merkte, wie in ihr eine Woge der Übelkeit hochstieg.
    »Bitte«, flehte sie, »ich muss mich übergeben …«
    Er war sofort neben ihrem Kopf. Die Waffe flog zur Seite, und sie fühlte seine stützende Hand im Genick. Er hielt ihr einen kleinen Abfalleimer aus Plastik hin. Sie würgte, doch es kam nichts. Langsam ließ er ihren Kopf herunter und zügig fing er an, ihre Lippen mit dem nassen Waschlappen zu reiben. Sie leckte an der Feuchtigkeit und schluchzte wieder los.
    »Heb die Hüften.«
    Auch diesmal tat sie, was er wollte.
    Rasch und geübt zog er ihr Slip und Hose wieder an. Er nahm die Waffe und zeigte sie ihr. »Darin bin ich ebenfalls Experte«, erklärte er. »Aber das wusstest du schon, nicht wahr?«
    Sie nickte.
    »Überhaupt«, fuhr er fort, »bin ich in den unterschiedlichsten Arten zu töten äußerst versiert. Erfahren. Aber auch das muss ich dir eigentlich nicht erst erzählen, nicht wahr?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er sah zu ihr herab, schwieg einen Moment und sprach dann weiter.
    »Du hast deinen Dostojewski gelesen, nicht wahr?«
    Sie nickte. »Ein paar …«
    »Schuld und Sühne? Die Brüder Karamasow? Aufzeichnungen aus dem Kellerloch?«
    »Ja. Und
Der Idiot

    »Wann?«
    »Letztes Jahr, im Proseminar.«
    »Gut. Dann weißt du sicher auch, was mit dem gefeierten Autor passierte, bevor man ihn nach Sibirien ins Arbeitslager schickte?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Er und weitere Verurteilte wurden vor dem Exekutionskommando des Zaren an die Wand gestellt. Achtung, brüllte der Kommandant, während die

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