Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
Meriwether platzte in die Stille hinein: »Mir passt das immer noch nicht.«
    »Passt was nicht, Kleiner?«
    »Wir sind nicht verrückt. Was haben wir hier zu suchen?«
    Mehrere Stimmen meldeten sich gleichzeitig.
    »Wir sind hier zur Reparatur …«
    »Wir sind wegen dieses Programms hier …«
    »Wir sind hier, du Dumpfbacke, weil wir alle rechtskräftig alsSexualverbrecher verurteilt worden sind. Geht das in deinen Schädel, Schleimer?«
    »Mann, kann ja sein, dass
du
nicht weißt, was du hier zu suchen hast, ich schon …«
    Der letzte Beitrag erntete Gelächter. Es verebbte im selben Moment, und Jeffers beobachtete, wie Meriwether wartete, bis Schweigen herrschte.
    »Ihr seid dümmer, als ich dachte …«, fing er an. Höhnisches Zischen und ein paar Buhrufe. Wieder wartete Meriwether. Jeffers registrierte das gequälte Grinsen im Gesicht des kleinen Mannes, der es eindeutig genoss, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen.
    »Denkt mal einen Moment darüber nach, Freaks. Wir sind hier zwar in einer Klapse, aber ist einer von uns wirklich bekloppt? Wenn wir tatsächlich Kriminelle wären, meint ihr nicht, dass sie uns dann einfach wegsperren würden? Statt Wasser und Brot geben sie uns Zuckerbrot und Peitsche. Nehmt an dem Programm teil, sagen sie, und lernt, richtig zu lieben. Lernt zu hassen, was ihr mal gewesen seid. Dann biegen wir euch wieder hin und ab geht’s zurück in die Welt …«
    Er legte eine Pause ein und sah sich erwartungsvoll um.
    »Wisst ihr, was mir wirklich auf den Geist geht? Jedes Mal, wenn ich durch eine der Irrenstationen laufe, weichen mir alle aus. Mir! Ist schon zum Lachen, was, Miller, du taffer Bursche? Sie wissen es.«
    Er lachte.
    »Wir alle denken doch ganz tief drinnen, da, wo wir den Seelenklempner nicht reingucken lassen, dass wir das hier hinter uns bringen. Wir hängen einfach nur lange genug rum und sagen das Richtige … na ja, irgendwann kommen wir raus. Die werden mich nicht ändern!«
    Er wandte sich an Jeffers.
    »Stecken Sie sich Ihre Aversionstherapie sonst wohin. Stecken Sie sich Ihren
peer group pressure
sonst wohin. Ich hab für so was ein bisschen zu viel drauf.«
    »Glauben Sie?«, fragte Jeffers.
    Meriwether lachte.
    »Was für eine Wischiwaschi-Frage. Sehen Sie nicht, dass wir alle im Grunde so denken?«
    Er überlegte. »Ganz tief drinnen, ganz tief drinnen. Wo Sie nicht rankommen.«
    Miller brummte. »Meinst aber auch nur du, Arschloch.«
    »Und ob ich das meine«, bekräftigte Meriwether.
    Die beiden Männer starrten einander an, und Jeffers dachte wieder an seinen Bruder. Er erinnerte sich, wie überrascht er gewesen war, als er erfuhr, dass Doug routinemäßig Taschengeld aus der Ladenkasse stahl. Er hatte das nicht deshalb für falsch gehalten, wurde ihm bewusst, weil es nicht richtig war zu stehlen, sondern weil es, falls er aufflog, schlimme Konsequenzen nach sich ziehen würde. Er konnte sich noch an das unbekümmerte Lachen seines Bruders erinnern und daran, wie er betonte, dass er es nur zum Teil wegen des Geldes machte.
    »Verstehst du nicht, Marty? Jedes Mal, wenn ich mir was nehme, gibt es mir das Gefühl, ihm eins auszuwischen. Ich bin dann nicht mehr nur das Opfer.«
    Doug war dreizehn gewesen. Und er hatte sich geirrt. Wir waren seine Opfer.
    Er schlug Doug, dachte Jeffers. Wieso eigentlich nicht mich? Wahrscheinlich lag es an der hartnäckigen, offensichtlichen Rebellion seines Bruders. Dann schüttelte er den Kopf und räumte ein, dass dies wohl nur die halbe Wahrheit war. Natürlich hatte Doug sich nicht unterkriegen lassen, doch da warnoch etwas anderes, Tieferes, das ihr Vater gesehen hatte und das ihn in weißglühende, brutale Wut versetzte.
    »Kleiner«, knurrte Miller, »du kotzt mich an.«
    »Die Wahrheit«, konterte Meriwether, »tut weh.«
    »Dann sag mir doch mal, was du für die Wahrheit hältst, du mieser kleiner Schieber, erzähl mir, was du über mein Leben weißt!«
    Meriwether lachte.
    »Lass mich mal überlegen.« Er musterte Miller wie ein Gutachter die beschädigte Ware.
    »Na ja«, fing er langsam an und genoss seine Show, »wahrscheinlich hast du deine Mutter gehasst …«
    Alle außer Miller lachten.
    »Sie hat alle außer dir geliebt …«
    Meriwether setzte mit einem Lächeln fürs Publikum noch einen drauf: »Und jetzt, wo du dich nicht an ihr rächen kannst …«
    Der ganze Raum grölte über die Binsenweisheit.
    »… da rächst du dich an anderen.«
    Meriwether zögerte. Schließlich fügte er hinzu: »Tadaaah!

Weitere Kostenlose Bücher