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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Grundsätzliche Wahrheiten ans Licht gebracht!«
    Miller lächelte nicht. Jeffers merkte, dass er wieder versuchte, sich das Gesicht seiner leiblichen Mutter vorzustellen, es aber nicht konnte. Wenn er an das Wort Mutter dachte, kam ihm nur die Frau des Drogeriebesitzers in den Sinn, ihrer Cousine und Mutter, die nachmittags in einer Ecke des Hauses saß und sich sommers wie winters Luft zufächelte, während sie ihren Tee trank.
    »Red weiter, du Stück dampfende Kacke. Du steckst schon so tief in der Scheiße, dass du genauso gut darin ersticken könntest«, sagte Miller.
    Jeffers überlegte einen Moment, ob Miller explodieren würde, bezweifelte es aber. Er besaß die Weisheit des erfahrenenKnastbruders. Wenn er glaubt, sich rächen zu müssen, schätzte Jeffers, dann auf seine Weise. Er wird einen günstigen Zeitpunkt abwarten, und die Vorfreude auf die Rache ist genauso süß wie der Moment, in dem er ihm das selbstgebastelte Messer zwischen die Rippen rammt. Jeffers notierte sich in seiner Kladde mit den Sitzungsprotokollen, dass er den Konflikt zwischen den beiden Männern weiterhin beobachten sollte.
    »Also«, fuhr Meriwether fort, »wie alt war diese letzte Braut? Diejenige, die du vertrimmt und dann auch noch ausgeraubt hast, nachdem du – tja, wie sag ich’s denn möglichst taktvoll – deinen Spaß mit ihr gehabt hattest? Könnte sie vielleicht zwanzig gewesen sein? Nein, vielleicht doch ein bisschen älter. Dann eher dreißig? Nein, immer noch ein klitzekleines bisschen zu jung. Dann womöglich vierzig? Du liebe Güte, nein, weit daneben … fünfzig? Sechzig? Wie wär’s mit dreiundsiebzig? Bingo!«
    Meriwether schloss die Augen und lehnte sich zurück.
    »Alt genug jedenfalls, um deine Mutter zu sein.«
    Meriwether schwieg einen Moment, bevor er sich an Jeffers wandte.
    »Wissen Sie, Doc, Sie sollten mich dafür bezahlen, dass ich hier die Arbeit für Sie mache.«
    Jeffers erwiderte nichts.
    »Also, du toller Hengst«, nahm Meriwether wieder Miller ins Visier, »dann erzähl mal. Wie war’s denn so?«
    Miller kniff die Augen zusammen. Er wartete, bis es still war.
    »Weißt du was, Schwätzer? Es war perfekt. Ist es immer.«
    Miller schwieg.
    »Richtig, Freak?«
    Meriwether nickte. »Richtig.«
    Jeffers blickte in der halbherzigen Hoffnung in die Runde,jemand könnte ins Gespräch eingreifen. Er hatte im Lauf der Zeit erkannt, dass die Gruppe bestimmte Dinge nicht in Frage stellte. Spaß zu haben, gehörte in diese Kategorie. Er notierte sich, dass er das Thema in den regelmäßigen Einzelsitzungen der Männer jeweils weiterverfolgen sollte. Die Gruppe, so seine Überlegung, dient nur dazu, das zu vertiefen, was in den täglichen Therapiesitzungen vermittelt wurde. Manchmal, dachte er und musste innerlich schmunzeln, geht die Rechnung auf. Manchmal auch nicht.
    »Miller«, schaltete sich Jeffers nun ein, »wollen Sie der Gruppe etwa sagen, dass die brutale Vergewaltigung einer dreiundsiebzigjährigen Frau eine befriedigende sexuelle Erfahrung gewesen ist?«
    Mit einigen der anderen hätte er nicht so unverblümt reden können. Miller schüttelte den Kopf.
    »Nein, Doc. Wenn Sie es so ausdrücken, nicht«, antwortete er verächtlich. »Eine befriedigende sexuelle Erfahrung, was immer das sein soll. Was ich sagen wollte – und der Freak da weiß, was ich meine, stimmt’s, Spinner? – ist nur, dass sie eben da war. Und ich war da. Es kam einfach nur eins zum anderen – keine besondere Sache.«
    »Und meinen Sie nicht, dass es für sie eine besondere Sache war?«
    Miller versuchte, einen Witz zu reißen.
    »Na ja, vielleicht hat es ihr ja noch keiner so gut besorgt …« Es gab ein paar Lacher, die schnell verstummten.
    »Kommen Sie, Miller. Sie sind brutal über eine alte Frau hergefallen. Was für ein Mensch tut so etwas?«
    Miller funkelte Jeffers an.
    »Sie hören mir nicht zu, Doc. Ich sag ja, sie war zufällig da. Keine große Sache.«
    »Da liegt das Problem. Das war es eben doch.«
    »Na ja, jedenfalls nicht für mich.«
    »Wenn es keine große Sache war, was ist dann in Ihnen vorgegangen, als Sie es taten?«
    »Was in mir vorging?« Miller zögerte. »Wie soll ich das verdammt noch mal wissen? Ich hatte Angst, dass sie mich identifiziert, wissen Sie, also hab ich ihre Brille zertreten, und ich hab versucht, auf der Hut zu sein, wollte die Nachbarn nicht wecken …«
    »Ach, Miller, kommen Sie schon. Es wimmelte nur so von Ihren Fingerabdrücken, und Sie wurden dabei erwischt, wie Sie den

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