Der Fotograf
erwiderte Detective Barren.
Der Fahrstuhl schien viel länger zu brauchen, als sie es in Erinnerung hatte.
Sie wünschte sich auf einmal, einen Spiegel zur Hand zu haben; sie hätte gerne ihr Make-up überprüft, um sicherzustellen, dass alle äußeren Anzeichen ihres Kummers gut abgedeckt waren. Sie straffte unsicher die Schultern. Sie hatte an diesem Morgen ihre Kleider mit größerer Sorgfalt ausgewählt als gewöhnlich, da sie wusste, dass bei dem, was sie zu sagen hatte, die äußere Erscheinung zählte. Ihre dunkelblauen und grauen Kostüme für die Gerichtstermine hatte sie verworfen und sich stattdessen für einen hellen Baum wollblazer und eine khakifarbene Hemdbluse entschieden. Sie wollte locker, lässig und entspannt auftreten – inoffiziell. Die Jacke war großzügig geschnitten. Früher einmal hätte man sie schlabberig gefunden, hatte sie überlegt, als sie hineinschlüpfte. Jetzt war sie »oversized« und genau richtig, um ihr Schulterhalfter mit der Neunmillimeter zu kaschieren. Die Wahl der Waffe war ungewöhnlich. Normalerweise stopfte sie einfach einen kurzläufigen Revolver, Kaliber achtunddreißig, in ihre Handtasche und vergaß ihn für den Rest des Tages. Doch nachdem sie sich angezogen hatte, flog sie ganz plötzlich das Gefühl an, in Gefahr zu sein, und bei einem Geräusch vor ihrer Wohnungstür war sie hochgeschreckt und hatte gemerkt, dass sichihre Nackenhaare aufstellten. Ihr war kaum bewusst gewesen, was sie tat, als sie sich die große Automatik umschnallte, doch jetzt tat die Größe und das Gewicht der Waffe an ihrer Seite gut.
Die Lifttüren öffneten sich mit einem leisen, zischenden Geräusch.
»Hi, Merce, hier rüber!«
Sie drehte sich um und sah Detective Perry im Flur stehen und ihr zuwinken. Sie ging zügig hinüber. Er streckte ihr die Hand entgegen, und sie schüttelte sie. Er hob seine Hand wie zu einem zweiten Gruß und ging zu seinem Schreibtisch.
»Kommen Sie – wollen Sie einen Kaffee? Wie läuft’s denn so?«, fragte er, wartete jedoch keine Antwort ab, sondern redete sofort weiter. »Wissen Sie, ich musste neulich an Sie denken. Wir hatten einen Mord mit Vergewaltigung, die Kleine in Süd-Miami, direkt am Kanal, haben Sie sicher in der Zeitung gelesen, und da fiel mir dieser Boxer wieder ein, den Sie einkassiert haben. Mit Intuition kriegt man keinen Durchsuchungsbefehl, waren das nicht Ihre Worte? Na, jedenfalls hatte ich das Gefühl, dass der Kerl kein richtiger Mörder ist, verstehen Sie? Ich meine, es war eine klassische Vergewaltigung, aber der Schädel der Kleinen war eingeschlagen. Sie war bewusstlos, als sie starb, sagt der Coroner. Mir kam der Gedanke, dass er es vielleicht gar nicht gemerkt hat, wissen Sie? Vielleicht wusste er nicht, wie fest er zugeschlagen hat, richtig? Also hab ich mir ein paar Jungs geschnappt und eine Polizistin, die sich als Teenager verkleidet hat, und gestern Nacht haben wir die Stelle observiert – dieselbe Stelle wie beim ersten Mal, ist das zu fassen, und Bingo! Wer schlendert da auf unsere Dame zu? Ein Typ mit Kratzspuren im Gesicht, die gerade erst verheilen. ›So allein hier draußen?‹, fragt der Scheißkerl. ›Nicht so ganz‹, antwortet sie. Ein paar Stundenlang hat er alles abgestritten, aber dann hat er geplaudert. Wissen Sie was, Merce? Wir könnten alle einpacken, wenn die Bösen nicht meistens so unglaublich dämlich wären. Also, wie Sie sehen, hatte ich ’ne tolle Nacht, verflucht, eine von diesen Nächten, in der man das Gefühl hat, es ist die Sache wert …«
Er sah Detective Barren an, bevor er fortfuhr.
»Da sitz ich also und erledige noch ein bisschen Papierkram, bevor ich zu Weib und Kind nach Hause fahre, und wer ruft mich aus der Lobby an? Das ist kein Privatbesuch, nehme ich an. Setzen Sie sich.«
Er bot ihr einen Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs an, und sie nahmen beide Platz.
»Sie sind ja so still«, meinte er.
»Klingt nach einem guten Fang. Einem richtig guten Fang.« Ihr wurde bewusst, dass sie Detective Perry mochte, und es machte sie traurig zu wissen, dass
er
sie am Ende dieses Gesprächs nicht mehr mögen würde. »Es ist hilfreich«, sagte sie.
»Was ist hilfreich?«
»Dass so viele von denen dämlich sind.«
Er lachte. »Können Sie laut sagen.«
Über den Stapel Papiere hinweg sah er Detective Barren an.
»Merce«, fragte er leise, »was bringt Sie her?«
Sie zögerte ein paar Sekunden, bevor sie ebenso leise antwortete: »Er war es nicht.«
Detective
Weitere Kostenlose Bücher