Der Fotograf
Drogendealers aus, der einem Konkurrenten was anhängen will. Vielleicht jemand, der zwischen zwei Organisationen böses Blut machen will, und das hier ist der erste Trumpf, den sie ausspielen. Reine Spekulation, wie gesagt. Jedenfalls wüsste ich nicht, ob ich gegen den Fahrzeughalter einen Haftbefehl erlassen würde.«
»Merce, wissen Sie, weshalb ich so gern mit Ihnen arbeite?«
»Nein, Peter, wieso?«
»Weil Sie so denken wie ich.«
Detective Barren grinste.
»Jeder mag einen Jasager. Oder in meinem Fall, eine Jasagerin.«
Lieutenant Burns lachte.
»Na, jedenfalls stimme ich Ihnen in allen Punkten zu. Ich habe der Forensik die Schuhe von dem Kerl gegeben. Keinerlei Sand aus der Schlucht. Dafür ein paar frische Grasflecken. Sehen Sie in dieser Spalte irgendwo Gras? Ich denke nicht.«
Er starrte auf die Bilder.
»Merce, vermuten Sie auch manchmal, die Welt gehört den Drogendealern? Zuweilen muss ich lachen, wenn ich daran denke, dass sie die neuen Unternehmer unserer Gesellschaft sind. Ich meine, vor hundert, zweihundert Jahren sind die Leute in dieses Land gekommen, haben geschuftet, Wurzeln geschlagen und sich hochgearbeitet. Wo ist der amerikanische Traum geblieben, Merce? Eine Hundert-Kilo-Charge und ein hübscher brandneuer BMW.«
Er stand auf und sammelte sämtliche Fotos ein. »Ich ent wickle mich immer mehr zum Pessimisten. Na, jedenfalls, ich denke, ich mach mal einen kleinen Abstecher zur Mordkommission und rede mit den Kollegen. Sollten wissen, womit sie’s zu tun haben. Am besten auch gleich beim Drogendezernat, denke ich.« Er sah sie an und setzte sich. »Aber zuerst sagen Sie mir, was ich für Sie tun kann.«
Detective Barren dachte an den jungen Mann auf den Bildern und fragte sich einen Moment, wie ein so junger Mensch so dumm sein konnte, sich auf Drogenhandel einzulassen. Auch nicht dümmer als John Barren, der wegen einer idiotischen Prinzipienreiterei in den Krieg zog, sich umbringen ließ und ihr zumutete, alleine zurechtzukommen. Für einen Augenblick wurde sie wegen all der jungen Männer traurig, die auf die eine oder andere Weise starben, doch ebenso schnell folgte eine Aufwallung von Wut. Wie sinnlos, dachte sie. Wie ganz und gar sinnlos und egoistisch. Irgendwo gab es jemanden, der über diesem zerfetzten Leichnam bitter weinte.
»Merce?«
»Peter, ich brauche ein bisschen Zeit.«
»Wegen Ihrer Nichte?«
»Ja.«
»Vielleicht wäre es am besten, wenn Sie mit unserem Psychologen sprechen würden und weiterarbeiteten. Sie wissen schon, Beschäftigung. Wie heißt es so schön, Müßiggang ist aller Laster Anfang.«
»Mir geht es nicht um Müßiggang.«
»Ich wollte damit nur sagen, es würde mir nicht gefallen, wenn Sie Urlaub nähmen, nur um in der Wohnung zu sitzen und zu brüten. Was haben Sie vor?«
Susans Mörder finden!
, schrie es in ihr auf. Sie verkniff sich die Bemerkung und zwang sich zu einer diplomatischen Erklärung.
»Wissen Sie, Peter, es ist nie gelungen, gegen Rhotzbadegh eine hieb- und stichfeste Anklage wegen des Mordes an Susan zu erheben. Ich will damit nicht sagen, dass die Jungs nicht ihre Pflicht getan hätten. Es ist nur, na ja, es macht mich wütend. Ich möchte ein bisschen herumstochern und sehen, was ich herausbekomme. Danach vielleicht eine Weile zu meiner Schwester, versuchen, ihr darüber hinwegzuhelfen. Sie nimmt es immer noch sehr schwer.«
Lieutenant Burns sah ihr eindringlich in die Augen. Sie rührte sich nicht.
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, dass Sie sich in den Fall einmischen wollen. Das andere, also, selbstverständlich …«
»Wie viel Zeit können Sie mir geben?«, fragte sie.
Ist eigentlich egal, dachte sie. Ich werde eine Ewigkeit brauchen. Ich werde ihn suchen, bis ich alt und grau bin.
Lieutenant Burns öffnete eine Schreibtischschublade und blättertein einer Akte. Er zog ein Blatt mit ihrem Namen heraus. »Also, Sie haben noch drei Wochen Urlaub und mindestens zwei Wochen Überstunden … was soll’s, sagen wir, noch mal drei Wochen. Außerdem gibt es Urlaub in Härtefällen. Das könnte ich für Sie beantragen, wenn auch zu gekürzten Bezügen. Wie lange, glauben Sie, werden Sie brauchen?«
Sie hatte keine Ahnung.
»Schwer zu sagen.«
»Sicher, verstehe. Denke ich jedenfalls.« Er sah sie ein wenig misstrauisch an. »Wieso tragen Sie die Waffe?«
»Was?«
Er deutete auf ihren Blazer. »Diese Großwildkanone. Was ist das, eine Fünfundvierziger oder eine
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