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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giogio Faletti
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als dass man nicht gemerkt hätte, dass sie darüber nachdachte, was sie nun tun sollte.
    Nicht, was sie mit mir gemeinsam machen sollte.
    Sondern schlicht, was sie mit mir machen sollte.
    Ich war es schließlich, der das Schweigen brach, da ich viele Fragen hatte. Auf wie viele ich eine Antwort bekommen würde, wusste ich nicht. Ich begann mit der ersten, jener, die nicht aus der Neugierde, sondern aus der Überraschung geboren worden war.
    »Wieso hast du mich nicht auch umgebracht?«
    Sofort drehte ich den Kopf weg und schaute ebenfalls auf die Straße, weil ich Angst hatte, in ihrem Gesicht zu lesen, dass sie sich das auch fragte.
    Ich fuhr fort, ungeachtet ihrer Pläne und ihres Schweigens.
    »Das wäre doch perfekt gewesen. Alles wäre an seinen Platz gerückt. In der Logik dieser Geschichte bin ich der Einzige, der in diesem Haus und zwischen all diesen Leichen noch fehlt.«
    Carla kramte in der Ablage herum. Sie hielt mir eine Packung Papiertaschentücher hin.
    »Wisch dir das Gesicht ab. Und zieh die Jacke aus. Es ist Blut dran.«
    Mir war klar, dass das nur eine ihrer Methoden war, die Antwort hinauszuzögern. Oder mir zu verstehen zu geben, dass es keine geben würde. Ich zog die Jacke aus und warf sie auf den Rücksitz. Dann drehte ich den Rückspiegel zu mir hin, schaltete das Innenlicht an und begann, mir die Spuren von Lucios Blut aus dem Gesicht zu wischen.
    »Wo hast du dich in den letzten Tagen versteckt?«
    Als ich antwortete, schaute ich sie nicht an.
    »An einem Ort.«
    »Ist er sicher?«
    »Ja.«
    »Lass uns dorthin fahren.«
    Ich schaltete das Licht wieder aus und überließ es Mailand, Carla anzuleuchten. Sie interpretierte mein Schweigen als Zögern.
    »Als ich gerade angehalten habe, habe ich mit der Polizei telefoniert. Ich habe erzählt, dass ich an dem Haus vorbeigefahren bin und den Eindruck hatte, Menschen auf dem Boden der Garage liegen zu sehen. Dabei habe ich die ängstliche Bürgerin gespielt, die ihre Pflicht tut, aber nicht in die Sache reingezogen werden möchte.«
    Sie schaute mich an.
    »Du brauchst einen Ort, wo du bleiben kannst, bis die Polizei die Leichen findet und das Geschehen rekonstruiert. Die Anwesenheit von Gabriel Lincoln, der für Lorenzo Bonifaci gearbeitet hat, bis er dann mit Fußtritten davongejagt wurde, und die Entdeckung, dass Lucio nicht blind ist, wie er allen vorgegaukelt hat, werden die Hypothese stützen, dass du in dieser ganzen Angelegenheit das Opfer eines Komplotts warst.«
    »Es werden noch etliche dunkle Punkte bleiben.«
    »Das ist in solchen Geschichten immer so. Dunkle Punkte oder gezielte Verdunklungen.«
    »Nein. Es wird einfach nur weitere Momente geben, für die ich kein Alibi habe. Und alles, was ich sagen oder tun könnte, würde nur wie der Versuch wirken, mir eines zurechtzulegen.«
    Carla schwieg. Vielleicht bestätigten ihr meine Worte nur, was sie selbst dachte. Hinter den Wagenfenstern zogen die Bilder einer Stadt vorbei, die ich noch vor wenigen Tagen mit einer gewissen Vermessenheit als eine Art Privatbesitz angesehen hatte. Ohne mir klarzumachen, dass in Wahrheit niemand etwas besitzt. Man kann nur die Wahl treffen, sich zu irgendetwas zugehörig zu fühlen. Dazu braucht es Können und Glück.
    Für den Rest sorgt die Liebe. Gelegentlich trügt sie, aber sie ist das Einzige auf der Welt, was man nicht kaufen oder verkaufen kann.
    Niemals.
    Nachdem ich ihr die Adresse genannt hatte, ließ ich mich im Sitz zurücksinken. Bis zum Ziel redete ich kein Wort mehr, sondern ging im Kopf die Ereignisse durch. Ich sagte mir, dass ich in wenigen Tagen zwei Mal gewaltiges Glück gehabt hatte. Das eine Mal, als ich vor der Tulpe gerettet wurde. Das andere Mal, als ich lebendig aus einem Haus herausgekommen bin, in dem fünf Leichen zurückgeblieben sind. Es steht zu befürchten, dass ich meinen Kredit beim Schicksal ausgeschöpft habe.
    Über die eigentlichen Gründe, warum dieses Spektakel veranstaltet wurde, stellte ich keine Vermutungen an. Der Staat, die Geheimdienste, die Roten Brigaden, die Ideale, der Klassenkampf, der bewaffnete Kampf, alles nur wertlose Indizien. Mir war klar, dass die Sache sogar für meine im Rätselraten geübte Fantasie eine Nummer zu groß war. Der Schlüssel zu alledem saß neben mir. Und mir war immer noch nicht klar, ob ich von Carla am Ende eine Erklärung oder einen Kopfschuss bekommen würde.
    Wir steigen aus. Die blutbefleckte Jacke werfe ich in den Abfalleimer. Lucio wird vermutlich kein schöneres

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