Der Frauenhaendler
schließt und den Kopf hebt. Mit den Händen streicht sie ihr Haar zurück und sorgt dafür, dass der Strahl es vom Schaum befreit.
Dann tritt sie an den Rand der Duschwanne und gibt mir ein Zeichen. Von ihrer Hand fallen ein paar Tropfen auf den Boden.
»Komm.«
Das Verlangen ist eine sanfte Hand, die mein Inneres streichelt. Als ich mich erhebe, weiß ich, dass sie sich in eine Klaue verwandeln und mir mit ihren spitzen Krallen Schmerzen zufügen wird. Das ist mir aber egal. Zum ersten Mal seit langer Zeit entblöße ich mich aus eigenem Antrieb vor einer anderen Person. Meinen verstümmelten Körper beachte ich gar nicht. Ich bin mir nur des ihren bewusst.
In wenigen Schritten bin ich bei ihr unter der Dusche.
Sie umarmt mich und schmiegt sich an mich, und das Wasser lässt uns zusammenkleben, und ich finde ihre Zunge und ihren Mund. Meine Hände suchen sie. Ich erkunde sie und öffne sie, und sie empfängt mich mit einem Stöhnen. Irgendwie findet sie mich auch, und ich bin und existiere, und das Wasser fließt, und in ihrer größten Lust erreicht mich etwas, das ich nicht benennen kann, und plötzlich ist die Kralle nicht mehr da, und der Schmerz ist verschwunden.
Danach halten wir uns in den Armen und bleiben unter dem Wasser stehen, das jetzt wieder Duschwasser ist, aber perfekt für unsere Bedürfnisse. Das, was es davonspülen sollte, ist durch den Abfluss verschwunden, und das, was es bewahren sollte, hat sich in unsere Haut eingegraben.
Ich bewege mich als Erster. Sie dreht den Wasserhahn zu, und das Rauschen des Wassers weicht der Stille. Ich verlasse die Dusche, schiebe die Pistole beiseite und reiche ihr ein Handtuch. Sie rubbelt sich die Haare ab und wickelt es dann um ihre Brust.
Mir fehlt der Mut, sie anzuschauen.
Es gibt zu viele Dinge, die ich in ihren Augen zu finden fürchte.
Es gibt zu viele Dinge, von denen ich fürchte, sie dort nicht zu finden.
Flüchtig fahre ich mir mit dem Handtuch über den Körper, dann nehme ich meine Sachen und verlasse das Bad. Im Schlafzimmer trockne ich mich richtig ab und ziehe eine frische Hose und ein frisches Hemd an.
Ich gehe in die Küche und mache Kaffee. Als Carla ins Wohnzimmer kommt, steigt er gerade mit einem röchelnden Geräusch hoch. Sie ist barfuß, und um ihre Brust ist immer noch das Handtuch gewickelt. Sie bückt sich nach ihrem Gepäck, kramt herum und holt schließlich ein Feuerzeug und ein Päckchen Zigaretten heraus. Sie steckt sich eine an und inhaliert, als wäre es eine Lebensquelle. Nach einer Weile nimmt sie einen Slip, eine Hose und einen leichten Pullover heraus und verschwindet wieder im Flur.
Als sie zurückkehrt, hat sie die Kleider an, und ich habe soeben den Kaffee in die Espressotassen gegossen. Wieder beugt sie sich über ihre Tasche, und ich sehe, dass sie die Pistole hineinsteckt. Dann kommt sie zu mir an den Tisch. Über das, was gerade geschehen ist, sprechen wir nicht, und ich weiß nicht, was es für sie bedeutet. Für mich ist es die Antwort auf eine Frage. Und ich ziehe es vor zu glauben, dass es die ist, die ich im Sinn habe.
Sie trinkt einen Schluck Kaffee ohne Zucker. Danach sitzt sie da und hält den Blick starr in die schwarze, dampfende Flüssigkeit gerichtet. Der Moment ist gekommen, da gewisse Dinge gesagt werden müssen. Und das weiß sie auch.
Sie beginnt zu reden, ohne aufzuschauen.
»Bonifaci war ein sehr mächtiger Mann. Mächtiger, als man sich vorstellen kann. Im Laufe der Zeit hat er Dossiers angelegt, mit denen er ein Gutteil der italienischen Politik und Wirtschaft in der Hand hielt. Fotos, die er bei den pikanten Partys in seinem Haus gemacht hat, Dokumente, die Absprachen mit der organisierten Kriminalität bezeugen, Beweise für Korruption und Unterschlagung in der Verwaltung öffentlicher Gelder, illegale Parteienfinanzierung.«
Carla schaut zu mir auf.
»Es gibt genug Material, um eine beschämend große Menge an Leuten in den Knast zu bringen. Das hätte die führende Klasse dieses Landes halbiert. Über Jahre hinweg hat Bonifaci alle wie Hampelmänner springen lassen. Zu seinem Vorteil natürlich. Dann hat er den Bogen überspannt, und er ist gebrochen. Irgendjemand hat beschlossen, dass man etwas gegen seine übergroße Macht unternehme müsse.«
»Wie?«
»Ganz einfach. Indem man die Dossiers an sich bringt.«
Sie trinkt ihren Kaffee aus und stellt die Tasse auf den Tisch. Kaffeesatz, aus dem man die Zukunft lesen könnte, hat sich nicht darin abgesetzt. Die Zukunft ist ein
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