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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giogio Faletti
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Kind der Gegenwart, und vielleicht werden wir nie eins haben.
    Aber das ist nicht der Punkt.
    Jetzt möchte ich nur die Vergangenheit verstehen.
    Carla weiß das, und innerlich hat sie entschieden, dass es gut so ist.
    »Eine beeindruckende Masse an Geld und Macht hat sich gegen Bonifaci zusammengetan. Gabriel Lincoln, der Mann seines Vertrauens, wurde mit Hilfe einer astronomischen Summe bestochen und für die Sache gewonnen. Dummerweise hat sich Bonifaci dann von ihm distanziert. Möglich, dass er etwas geahnt hat. Vielleicht war es auch der sechste Sinn, den bestimmte Menschen zu besitzen scheinen.«
    »Das kann ich alles nachvollziehen. Was ich nicht verstehe, ist die Rolle der Roten Brigaden in dieser ganzen Geschichte.«
    »Um die Sache durchzuziehen, musste eine Tarnung her. Die Roten Brigaden sind in einer äußerst schwierigen Situation. Man sitzt ihnen wegen der Moro-Entführung im Nacken, und sie brauchen Unterstützung und Geld. Allerdings können sie die geeigneten Leute stellen. Derjenige, der das alles organisiert hat, konnte sich Kontakte ins Innere der Organisation verschaffen. Er hat Dinge versprochen als Gegenleistung für andere Dinge.«
    »Willst du damit sagen, dass es in der italienischen Politik Leute gibt, die dazu bereit sind, Moro seinem Schicksal zu überlassen, nur um Hilfe bei der Beschaffung dieser Dokumente zu bekommen?«
    »Genau. Das Ergebnis wäre in beiderseitigem Interesse. Die Roten Brigaden könnten einen neuen Erfolg im bewaffneten Kampf vorweisen. Und die andere Seite und wer auch immer Bonifaci zu fürchten hat, wäre diese Bedrohung los.«
    Ich stehe auf und zünde mir eine Zigarette an.
    »Wer hätte denn dafür garantieren können, dass die Roten Brigaden, wenn sie erst einmal begriffen hätten, was sie da in den Fingern halten, die Dossiers nicht als Waffe benutzt und öffentlich gemacht hätten?«
    »Ich.«
    Das hatte sie mit entwaffnender Schlichtheit gesagt. Als wäre es die größte Selbstverständlichkeit der Welt.
    »Meine Beteiligung an dieser Operation hat zwei Gründe. Erstens arbeite ich für den Verfassungsschutz und kenne mich mit diesen Dingen aus. Zweitens bin ich eine schöne Frau. Ich war die Kontaktperson zu den Männern der Roten Brigaden und gleichzeitig die geeignete Person, um das Vertrauen des einzigen Mannes zu gewinnen, der Zugang zu Bonifacis Villa hatte.«
    »Ich.«
    Auch ich spreche diesen Einsilber mit entwaffnender Schlichtheit aus. Eine unvermeidliche Konsequenz aus der größten Selbstverständlichkeit der Welt.
    »Genau. Du.«
    Carla gönnt sich die Andeutung eines Lächelns ohne jede Freude.
    »Als ich herausfand, dass du auf derselben Etage wohnst wie Lucio, wollte ich es erst gar nicht glauben. Das war nicht geplant, sondern schlicht und einfach Zufall.«
    Sie macht eine Pause, immer noch fassungslos, wie Chaos und Zufall die Welt regieren.
    »Die Person, die für uns unverzichtbar war, um an Bonifaci heranzukommen, lebte ein paar Schritte von der Person entfernt, die an ihn herankommen sollte.«
    Alles wirkt so einfach und harmlos in Carlas gelassenem Bericht, jetzt, da es nicht mehr Leben, sondern Geschichte ist. Und doch ist diese Geschichte der Grund, warum sie eine Spur an Leichen hinter sich herzieht. Worte transportieren kein Blut, nur seine Beschreibung und die Erinnerung daran.
    »Von deiner Existenz und davon, dass du regelmäßig Mädchen in die Villa in Lesmo schickst, wussten wir von Lincoln.«
    »Und da habt ihr euch an diesen armen Kerl Daytona rangemacht.«
    »Ja. Das schien uns die sanfteste Methode zu sein, mich in deinen Kreis einzuschleusen. Von jenem Moment an wurdest du Tag und Nacht überwacht.«
    Ich unterbreche sie.
    »Diesen Teil der Geschichte kenne ich.«
    Ich erläutere ihr kurz, wie ich die Wahrheit herausgefunden habe. Die Rettung vor der Tulpe, die Begegnung mit ihr vor dem Ascot, der Austausch der Wagen, die Entdeckung von Daytonas Versteck, die Pistole in der Wagentür. Während ich erzähle, schaut sie mich konzentriert an, aufmerksam, als wollte sie irgendwelche Botschaften erhaschen, die sich hinter meinen Worten verbergen.
    Sie weiß es nicht, aber es gibt davon mehr, als sie sich vorstellen kann.
    Doch das ist eine andere Geschichte. Jetzt möchte ich noch ein paar Dinge wissen. Ich stelle ihr die Frage, die mich ängstigt und quält, seit ich im Fernsehen von dem Massaker erfahren habe. Und ich habe die Gewissheit, dass mich die Antwort, falls es eine gibt, bis ans Ende meiner Tage verfolgen

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