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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giogio Faletti
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Einzige, was zählt, ist der Start.
    Was ich vorfinde, wenn ich erst einmal gelandet bin, ist Teil einer anderen Geschichte.
    Meine Fahrerin steigt aus und öffnet mir den Kofferraum. Ich hole meine Reisetasche heraus, zahle den Fahrpreis und gebe tausend Lire Trinkgeld. Bevor sie wieder einsteigt, wirft sie mir einen vieldeutigen Blick zu. Vielleicht habe ich mich ja auch geirrt. Mit jenem bisschen Eitelkeit und Narzissmus, das in jedem von uns steckt, sage ich mir erneut, dass sie nicht der Typ ist, der seinen Fahrgästen Avancen macht.
    Aber mir vielleicht doch, wer weiß.
    Ich spüre einen Anflug von guter Laune, als ich das Terminal betrete. Sobald ich die schwarze Tabelle mit den Abflugzeiten entdeckt habe, gehe ich hin und lasse den Blick über die Auflistung von Kürzeln, Fluggesellschaften und Zielen gleiten.
    Ein Flug der Alitalia nach Rio de Janeiro startet in drei Stunden. Ich stelle mir vor, wie ich am Strand von Ipanema liege, und die Vorstellung gefällt mir. Ich gehe zum Fahrkartenschalter und bitte die Angestellte um ein Ticket erster Klasse nach Brasilien.
    Der Ort steht fest. Jetzt muss ich nur noch zahlen.
    Ich zahle in bar, nachdem ich aus der Innentasche meiner Jacke ein Bündel Scheine herausgezogen habe. Ich frage mich, wann ich je wieder irgendetwas in Lire bezahlen werde, falls das überhaupt jemals der Fall sein wird. Mir gefällt diese Ungewissheit, diese Wurzellosigkeit, diese Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen und mich im nächsten Moment anders zu besinnen.
    Ich gehe zum Check-in. Der Schalter für diesen Flug ist noch nicht geöffnet.
    Als ich einen Zeitungsladen sehe, begebe ich mich dorthin und kaufe ein Buch, zwei Tageszeitungen und ein paar Zeitschriften. Mein Blick fällt auf etliche Exemplare der »Settimana Enigmistica«, die neben der Kasse aufgestapelt sind.
    Einen Moment zögere ich, doch dann entscheide ich mich dagegen. Genug mit Kryptogrammen.
    Die Zeit ist vorbei. Die Lösung des letzten Rätsels, das ich knacken konnte, lautete ›Bravo‹. Ein gutes Ergebnis. Man darf nicht zu viel vom Schicksal verlangen.
    Ich setze mich, stelle meine Reisetasche neben mir ab und öffne den »Corriere«. Die ersten Seiten sind allesamt den Entwicklungen der Angelegenheit gewidmet, deren Zeuge und Protagonist ich war. Ich lese mal hier und mal dort, aus purer Neugier zu erfahren, was berichtet wird und was im heiligen Namen der Pressefreiheit verheimlicht, entstellt und verdreht wird.
    Die Sache, die ganz Italien in Atem hält, geht weiter. Aldo Moro ist immer noch in den Händen seiner Entführer. Ich hoffe, dass sich unter die vielen Lügen, die mein Vater in seinem Leben erzählt hat, auch die über das Schicksal dieses einsamen Mannes einreiht. Ich hoffe, dass die Worte, die er in seinem Hotelzimmer ausgesprochen hat, nicht wahr sind, sondern lediglich eine letzte Manifestation seines Wahns, allmächtig und allwissend zu sein.
    Ich hoffe.
    Ich blättere weiter. In der Rubrik über Unfälle und Verbrechen gibt es einen Artikel über Tano Casale. Die Überschrift nimmt die halbe Seite ein.
     
    DIE 13 BRINGT UNGLÜCK
Gefälschter Wettschein wird zur Falle
für bekannte Persönlichkeit der Mailänder Verbrecherwelt
     
    Ich lächele. Den Artikel muss ich gar nicht erst lesen. Ich weiß gut, was passiert ist. Und ich weiß genauso gut, was passieren wird.
    Als meine Zeugenaussage aufgesetzt, von einem Dutzend Leute geprüft und dann unterschrieben worden war, wurde ich zu einem freien Mann erklärt. Ich und Ugo Biondi, dessen Gesicht angespannt wirkte und Schatten in der Größe von Jahresringen um die Augen herum hatte, verabschiedeten uns im Hof des Kommissariats voneinander.
    Wir waren müde, erschöpft und willenlos. Meine Stimme war rau vom vielen Reden.
    »Ich ruf dich morgen wegen der anderen Geschichte an. Jetzt muss ich einfach nur schlafen.«
    Ich reichte ihm die Hand. Er erwiderte den Händedruck.
    »Ich auch. Und zwar dringend.«
    Auf der Straße jenseits der Toreinfahrt sahen wir sein Taxi vorfahren. Er rannte hin, und ich stieg in Stefano Millas Alfa Romeo. Der Inspektor hatte angeboten, mich zu dem Motel in Settimo zu bringen, in dem ich, bis sich die Wellen gelegt haben würden, ein paar Tage absteigen wollte. Sein Angebot hatte nichts mit einer besonderen Fürsorglichkeit zu tun, sondern sollte ihm die Gelegenheit verschaffen, die paar privaten Worte zu wechseln, die in den letzten Tagen nicht möglich gewesen waren.
    Er muss auf heißen Kohlen gesessen haben. Der

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