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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giogio Faletti
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Toten? An die habt ihr nicht gedacht?«
    Er schaut mich an wie jemanden, der seine Ohren einfach auf taub stellt.
    »Hast du immer noch nicht verstanden, Nicola? Wenn es um derart weitreichende Interessen geht, gibt es niemanden, der nicht geopfert werden könnte. Niemanden.«
    Ein Bild kommt mir in den Sinn. Eines von einem einsamen Mann, der entführt und in einen Raum eingesperrt wurde, verurteilt von einer Gruppe Terroristen und von der Staatsraison.
    »Gilt das auch für Aldo Moro?«
    In seinen Augen liegt die Gewissheit eines Satzes, noch bevor er ihn ausspricht. Die Stimme ist ein eisiger Hauch, und ich wundere mich, dass ich keinen Dampf vor seinem Mund sehe.
    »Aldo Moro ist längst ein toter Mann.«
    Wir schweigen. Ein scharfes, spitzes Schweigen, das verletzt und blutige Wunden reißt. Das ist der Moment, um einem Gespräch die richtige Wendung zu geben, jetzt, da sich die verborgenen Gedanken in Worte verwandelt haben und die Absichten in unumkehrbare Handlungen.
    Mit tonloser Stimme fragt er, was er in Wahrheit für ausgemacht hält.
    »Was wirst du jetzt tun?«
    »Wie ich schon sagte, ich werde mich stellen. Und ich werde der Polizei die Originale der Papiere überreichen, die du gesehen hast. Und damit die Sache nicht im Sande verläuft, werden noch heute Abend die wichtigsten Tageszeitungen eine Kopie davon bekommen.«
    Er nickt, sagt aber nichts. Dann setzt er sich auf das Sofa, legt den Kopf in die Hände und stützt die Ellbogen auf die Knie. Was ich sehe, ist nur noch sein Körper. Sein Geist ist schon längst nicht mehr in diesem Zimmer eines Hotels der Luxusklasse, die nunmehr eine sinnlose Kategorie ist.
    Aber es gibt noch etwas, das ich wissen muss. Um das Bild zu vervollständigen und um sicher zu sein, dass nichts von dem, was ich getan habe oder tun werde, der Rechtfertigung entbehrt. Damit alles seine präzise Bestimmung hat, weil auch alles seinen präzisen Ausgangspunkt hatte.
    »Ich habe noch eine Frage.«
    Er wartet schweigend. Jetzt hat er keine Energie mehr. Keine Worte mehr. Nichts mehr.
    Als ich die Frage an ihn richte, kann ich es nicht verhindern, dass sich mein Herzschlag beschleunigt.
    »Als Turi Martesano den Befehl gegeben hat, dass man mit mir macht, was man mit mir gemacht hat, wusstest du davon?«
    Das Schweigen, das ich zur Antwort erhalte, ist ein erschütterndes Bekenntnis. Meine Lungen lechzen nach Luft, und ich atme tief durch. Ich weiß nicht, wie dieser Mann sich jetzt fühlt. Ich weiß nicht, in welchen Raum er eingesperrt ist und an welchen Ort er flüchten könnte, um nicht von den Geistern der Menschen, die durch seine Schuld gestorben sind, verfolgt zu werden.
    Ich weiß es nicht, und es ist mir scheißegal.
    Als ich das Zimmer verlasse, liegen auf dem Boden die Scherben des allmächtigen Senators Amedeo Sangiorgi.
    Und als ich die Tür schließe, geht mir ein bitterer Gedanke durch den Kopf.
    Ich frage mich, ob Gott Bedauern verspürt hat, als er zuließ, dass man seinen Sohn tötet.
     

 
Kapitel 24
     
    Das Taxi fährt Richtung Flughafen.
    Es wird von einer Frau gefahren, was ziemlich ungewöhnlich ist. Sie ist ansehnlich, etwa vierzig, blond und üppig. Noch hübscher wäre sie, wenn sie sich zu dem Kompromiss durchringen könnte, wenigstens einen Hauch Schminke aufzulegen. Als sie mich im Quartiere Tessera abgeholt hatte und wir zu ihrem Wagen gegangen waren, hatte sie mich von oben bis unten gemustert. Was auch immer für eine Prüfung das war, ich muss sie bestanden haben, denn sie hielt es für angemessen, mir während der Fahrt ihre gesamte Lebensgeschichte zu erzählen. Vielleicht wollte sie rechtfertigen, dass sie am Steuer eines öffentlichen Beförderungsmittels saß. Die Krankheit ihres Mannes, dem die Lizenz gehört, neuerliche Einschränkungen, ihre Entscheidung, seinen Platz am Steuer einzunehmen.
    »Ich konnte ja wohl nicht durch die Straßen rennen und Autoreifen anzünden.«
    »Nein, natürlich nicht.«
    Ich habe gesagt, was sie hören wollte. Zu der Tatsache, dass eine Frau wie sie, wenn sie sich nur ins rechte Licht rücken würde, bedeutend höhere Einkünfte erzielen könnte als mit Taxifahren, habe ich mich nicht geäußert. Vielleicht hätte sie als ein bemühtes Kompliment missverstanden, was nichts als eine nüchterne Marktanalyse war.
    Jetzt schweigt sie. Gelegentlich betrachtet sie mich neugierig im Spiegel. Da sie derart erpicht darauf war, ihre Gegenwart in diesem Fahrzeug zu rechtfertigen, halte ich sie nicht für den Typ, der

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