Der Frauenhaendler
was sie sieht. Ich finde auch Gefallen an dem, was ich sehe, und lächele.
Sie liest meinen Namen auf dem Ticket.
»Ihnen auch einen guten Tag, Signor Sangiorgi.«
Obwohl sie als Handgepäck durchgehen würde, beschließe ich, meine Reisetasche aufzugeben. Ich möchte frei sein und kein Gewicht mit mir herumschleppen, und sei es auch noch so gering. Das habe ich lange genug getan. Nachdem mir die Frau den Weg zum Ausgang gezeigt und Flugplan und Bordkarte gereicht hat, folge ich der Schlange, die sich zu den Sicherheitskontrollen begibt.
Ein paar Tage lang hatte ich mich in dem Motel verkrochen, hatte mich mit Nachrichtensendungen betäubt und war nur hinausgegangen, um zu essen und Tageszeitungen zu kaufen. Ich sah, wie aus dem Brand ein Scheiterhaufen wurde, und sagte mir, dass er mit der Zeit zu einem Lagerfeuer zusammenschrumpfen würde, bis sich nur noch diejenigen, die sich verbrannt hatten, an die Hitze der Flammen erinnern würden. Zugleich hatte ich die Gewissheit, dass viele mitten hindurchgehen würden, ohne den geringsten Schaden davonzutragen.
An dem Tag, an dem ich beschloss, mein Loch zu verlassen, habe ich mich mit Ugo getroffen, in Anwesenheit des Notars, der sein Büro zwei Stockwerke über ihm hat. Ich habe genaue Anweisungen für die Einlösung des Wettscheins gegeben und mir seine Dankbarkeit verdient, indem ich ihm für das, was er getan hat und noch tun soll, ein Honorar von hundert Millionen ausgezahlt habe. Dann habe ich mir die Genehmigung erteilen lassen, Carmine in San Vittore zu besuchen. Schließlich habe ich dem Notar alle nötigen Vollmachten für meine finanziellen Angelegenheiten ausgestellt.
Als ich das Büro verlassen wollte, hat Ugo mir die Hand gedrückt und mir ein Lächeln entlockt, indem er mir dieselbe Frage stellte, die ich damals Carla gestellt hatte.
»Werde ich dich wiedersehen?«
Ich hielt es nicht für angebracht, ihn zu küssen und zu bekunden, dass alles so schön hätte sein können. Stattdessen beschränkte ich mich auf eine unbestimmte Handbewegung.
»Wer kann das schon sagen?«
Ein Polizist studiert meinen brandneuen Ausweis, den ich in Rekordtempo bekommen hatte, eine freundliche Geste des Polizeipräsidiums von Mailand. Er gibt ihn mir zurück und hat das Gesicht schon dem nächsten Besucher zugewandt. Als ich am Duty-free-Shop vorbeikomme, beschließe ich, Zigaretten zu kaufen. Die werde ich auf der sicher langen und langweiligen Reise brauchen können. Mit zwei Stangen Marlboro in der Hand gehe ich zur Kasse. Ich lege die Bordkarte vor und bezahle. Ohne jede Eile begebe ich mich zu dem Gate, an dem Rio de Janeiro steht, und setze mich in einen Sessel. Der Artikel, der von Tanos Verhaftung handelt, lässt mich an meine letzte Begegnung mit Carmine im Sprechzimmer von San Vittore zurückdenken.
Er kam in Begleitung eines Wärters, der sich ein Stück zurückzog, damit wir ungestört miteinander reden konnten, uns aber nicht aus dem Blick ließ. Carmines Äußeres hatte sich nicht verbessert. Er war immer noch einer der hässlichsten Männer, die ich je gesehen hatte. Spontan musste ich daran denken, dass sich auch an seiner anderen körperlichen Besonderheit nichts geändert haben dürfte. Sicher hatte sie ihm im Gefängnis schon einen Haufen Wettsiege eingetragen. Im Innersten bleiben Männer doch immer Kinder, und im Zweifelsfall kann sich niemand dem Vergleich entziehen, wer den größten hat.
Er nahm mir gegenüber Platz. Sein Gesichtsausdruck war der, den ich von einem Mann ohne Freiheit erwartet hatte.
»Ciao, Bravo.«
»Ciao, Carmine.«
Er drehte sich um, weil er sich vergewissern wollte, ob die Ohren des Wärters auch weit genug weg waren.
»Luciana hat mich besucht. Sie hat mir Fotos von dem Jungen gezeigt.«
»Es ist ein schöner Junge.«
In seinem hässlichen Gesicht drückte sich väterlicher Stolz aus, als er meine Worte bestätigte.
»Ja, wirklich ein schöner Junge.«
Dann verfiel er sofort in Schweigen. Sicher musste er an die Krankheit seines Sohns denken. Seine Ehefrau wird ihn vor allem deswegen im Gefängnis besucht haben, um ihn über Rosarios Gesundheitszustand zu unterrichten. Carmine ließ aber nichts davon verlauten, als könnte man, wenn man von einer schrecklichen Sache nicht sprach, ein klein wenig zu ihrer Austreibung beitragen.
»Sie hat mir auch erzählt, was du für sie getan hast.«
»Nicht der Rede wert.«
»Doch, das ist sehr wohl der Rede wert. Es ist das, was ich gerne tun würde, wenn ich nicht in
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