Der Frauenhaendler
Tulpe nicht einmal Unrecht, als sie Laura ein paar Ohrfeigen verpasst hat. Die Willkür des de cuius vult könnte glatt der Slogan meines fragwürdigen Kreuzzugs sein.
Wider Willen muss ich lächeln, und als wir in der Via Vittor Pisani ankommen, ist meine Wut ein wenig verraucht. Nur ein wenig, wohlgemerkt. Aber natürlich kommt es nicht infrage, Carla für die Schuld einer anderen Person büßen zu lassen. Fünfzig Meter von unserem Ziel entfernt finde ich einen Parkplatz. In Mailand um diese Uhrzeit ist das ein Wink des Schicksals.
Wir steigen aus.
Carla schaut mich neugierig an. Das dürfte keine Gegend sein, in der sie sich regelmäßig aufhält.
»Wohin gehen wir?«
»Das wirst du schon sehen.«
Ich breche auf, und sie folgt mir auf den Weg in die Zauberwelt, dessen erste Etappe ein Schönheitssalon ist. Als wir Alex’ Laden betreten, ist er wie immer voll. Lichter, Düfte, Frauen unter Trockenhauben. Junge Männer und Frauen in schwarzer Dienstkleidung bewegen sich lautlos über den glänzenden Boden. Dieser Salon bringt sicher noch mehr ein als die Spielhölle in Opera, allerdings ist es auch schwer vorstellbar, wie Tano Casale jemandem die Haare schneidet. Kehlen mag er durchschneiden, aber bei Haaren habe ich so meine Zweifel. Carla ist fasziniert und vielleicht ein wenig eingeschüchtert. Vermutlich entspricht ein solcher Ort, wo Waschen und Legen mehr kostet, als sie in einer ganzen Woche verdient, nicht dem Standard ihrer angestammten Läden.
Alex gibt gerade einem Jungen Tipps zur Behandlung einer Dame, über deren Gesicht ein ganzer Schwarm Krähen ihre Füße verteilt zu haben scheint. Plötzlich sieht er mich und strahlt. Er entschuldigt sich, überlässt die Dame ihrem Schicksal und kommt zu uns herüber. Groß und dünn, trägt er die wenigen Haare, die er noch hat, kurz geschoren, unbekümmert um die Glatze, die längst alle Schäden angerichtet hat, die sie anzurichten vermag. Er ist sympathisch, weiß mit den Leuten umzugehen und versteht sein Handwerk. Nicht umsonst gehört er in der Welt von Fernsehen, Mode und Werbung zu den gefragtesten Friseuren und Make-up-Artists. Und obwohl er nicht gerade wie ein Model aussieht, hat er überwältigenden Erfolg bei Frauen.
»Ciao, Bravo. Wurde aber auch Zeit, dass du dich mal wieder blicken lässt. Wollen wir das Gestrüpp auf deinem Kopf mal in Form bringen?«
»Heute bin ich nicht wegen mir hier. Dieses Mal musst du zu allergrößter Form auflaufen.«
»Ich bin immer in allerbester Form.«
An diesem Punkt denke ich, dass ich meine Begleiterin darüber aufklären sollte, was hier geschieht. Irgendetwas muss sie allerdings schon begriffen haben, denn ihre Augen glänzen.
»Carla, darf ich dir Alex vorstellen. Er wird eine Göttin aus dir machen.«
Dann erkläre ich Alex den Grund für unseren Besuch in seinem Salon.
»Du musst dich dieser jungen Frau annehmen. Bediene dich sämtlicher Kunststücke deiner Profession. Kosten spielen keine Rolle, und geize nicht mit deinem Talent.«
Seit mein Freund sich zu uns gesellt hat, hat er Carla nicht einen Moment aus dem Blick gelassen. Vielleicht hatte er längst aus einem berufsbedingten Zwang heraus darüber nachgedacht, was für ein Diamant sich hinter der Rohform verbergen könnte. Jetzt, da er weiß, dass er freie Hand hat, scheint ihn die Herausforderung vollständig zu absorbieren.
Auf seine Weise handelt es sich auch hier um ein Kryptogramm.
Ich bin jetzt vergessen. Ich existiere nicht mehr. Alex ist schon in Aktion getreten und kramt im Geiste all seine Erfahrung und Fantasie zusammen. Er reicht Carla die Hand.
»Komm. Lass uns sehen, was wir da machen können.«
Ohne mich noch eines Blickes zu würdigen, zieht er sie mit sich fort. Carla dreht sich noch einmal zu mir um und wirkt leicht irritiert. Ich mache eine vielsagende Handbewegung, die ihr bedeuten soll, Alex zu vertrauen, und gleichzeitig meine Machtlosigkeit zum Ausdruck bringt.
Dann bin ich allein.
Ich verlasse den Laden und gehe vorbei an den Fotos von männlichen und weiblichen Modellen, die an den Fensterscheiben mit Schmollmündern ihre Frisuren zur Schau stellen. Nach wenigen Schritten betrete ich die Bar. Das Lokal wurde vor kurzem renoviert, nicht ohne stilistische Ambitionen, die aber durch die Spiegel und den Chrom etwas Anonymes bekommen. In der Mittagszeit serviert man hier den Menschen, die in den Büros in der Umgebung arbeiten, warme und kalte Speisen. Jetzt ist die Hauptbetriebszeit vorbei, und es sind nicht
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