Der Frauenhaendler
Nicht gerade jetzt …
Ich sage nicht, was ich denke, sondern warte auf die Fortsetzung. Denn eine Fortsetzung wird es mit Sicherheit geben.
»Heute Nacht bin ich mit ihm zusammen gewesen. So etwas ist mir noch nie passiert. So schön und so schnell, meine ich. Mir ist klargeworden, dass ich etwas anderes tun möchte. Ich möchte dieses ganze Leben hinter mir lassen.«
Laura hat ganze Schwärme von Chimären in den Augen.
»Bravo, ich glaube, ich bin verliebt.«
Am liebsten würde ich aufspringen und losschreien.
Um dir einen Verbrecher vom Hals zu schaffen, damit er dir nicht weiter das Leben ruiniert, habe ich mich diese Nacht fast umbringen lassen. Und während ich mir buchstäblich selbst das Grab gegraben habe, hast du mit deinem Scheißkünstler gefickt. Und dann erzählst du mir, du glaubst , du seist verliebt? Bei dem, was mich die Sache gekostet hat, verlange ich doch wenigstens die Gnade der Gewissheit …
Stattdessen springe ich nicht auf, fange nicht an zu schreien und verprügele sie auch nicht. Ich bleibe reglos auf meinem Stuhl sitzen und gratuliere mir zu meiner Selbstbeherrschung. Das ist ein armseliger Trost, aber es ist alles, an das ich mich jetzt klammern kann. Während ich allmählich wieder Herr meiner Nerven werde, kommt mir überraschend das Lachen dieses Knaben in den Sinn, als er mit seinen Freunden aus dem Ascot kam. Allesamt jung, talentiert und darum Herren der Welt. Ich betrachte Laura, die sich in ihrem Traum verliert, der wie jeder Traum irgendwann eine Morgendämmerung erleben und sterben wird. Plötzlich erscheint mir alles höhnisch und zärtlich und lächerlich zugleich.
Und dann fällt mir die Lösung für Lucios Kryptogramm ein.
Vollkommen ungehemmte Vorstellungskraft. 8 – 11, 10. Fantasia – unzensierte Projektion
Ein Lächeln entspannt meine Lippen.
»In Ordnung, Laura. Wie du meinst.«
»Was?«
»Du hast richtig verstanden. Geh den Weg, den du gewählt hast. Dein Leben gehört dir etcetera etcetera. So heißt es doch im Film, oder?«
»Du bist nicht sauer auf mich?«
»Würde das etwas ändern?«
»Bravo, ich …«
»Ich denke nicht, dass dem noch etwas hinzuzufügen wäre. Solltest du es dir anders überlegen, weißt du ja, wo du mich findest. Oder versuch einfach, glücklich zu werden.«
Auch so heißt es im Film, neben all den anderen Etceteras etceteras. Es erscheint mir aber sinnlos, das noch einmal zu betonen. Laura setzt ihre Sonnenbrille auf und erhebt sich. Erleichterung liegt in ihrer Stimme, eine Erleichterung voller guter Vorsätze.
»Ciao, Bravo. Danke.«
»Ciao, Laura. Mach was draus.«
Ich folge ihr mit dem Blick, als sie geht, und bin in guter Gesellschaft. Im Geiste blättere ich bereits im Verzeichnis meiner Mädchen und suche nach einem, das sie bei der Arbeit im Hause Bonifaci ersetzen könnte. Als sie durch die Tür entschwindet, stehe ich auf und lege den Gegenwert eines Kaffees und ein paar Münzen Trinkgeld auf den Tisch. Ich verlasse die Bar und eine beendete Beziehung, um zu einer zurückzukehren, die sich soeben anbahnt. Was ich von Carla erwarte und was von mir selbst, weiß ich nicht wirklich. Ich bin immer auf Sicht gefahren und fürchte, dass ich mich auch dieses Mal auf meinen Instinkt verlassen muss.
Als ich in Alex’ Laden zurückkehre, sind die jungen Männer und Frauen mit den Kunden beschäftigt, die sämtliche Stühle und Spiegel besetzen. Weder Alex noch Carla befinden sich im großen Salon. Ich setze mich in einen Sessel, rauche und blättere in Zeitschriften, die voll sind mit den Liebesgeschichten von Schauspielern und Schauspielerinnen. Einige der Personen, die ich auf den Fotos sehe, habe ich schon persönlich getroffen, an dem Ort, an dem ich mich gerade befinde. Von einigen der Geschichten weiß ich, dass sie erstunken und erlogen sind. Ich frage mich, wie es mit den anderen ist. Nach ungefähr einer halben Stunde reißt Alex’ Stimme mich aus einem Artikel, demzufolge man in der weiten Bluse einer Sängerin das sichere Anzeichen einer Schwangerschaft erkennen muss.
»Geschafft. Beurteile selbst, wie du es findest.«
Ich stehe auf und drehe mich um.
Als ich sie sehe, denke ich, dass ich mich vor Verlassen des Salons für immer von Carla hätte verabschieden müssen, weil ich sie nie wiedersehen werde. Die, die vor mir steht, ist eine neue Person, eine so strahlende, dass die Lampen, an denen der Ausstatter des Salons nicht gespart hat, vor Neid erblassen müssten. Die Haare, die jetzt honigfarben und
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