Der Frauenhaendler
zu sein und nicht mehr die Kraft oder die Lust zu finden, sich zusammenzusetzen. Als wir zum Wagen zurückgehen, lasse ich diese Gedanken fallen und kümmere mich wieder um Carlas Ausbildung. Es ist besser, sie weiß, was sie erwartet und wie sie sich zu benehmen hat. Jeder kann Ratschläge gebrauchen. Jene, die damit gar nichts anfangen können, sind oft ziemlich armselige Gestalten.
»Die Situation morgen wird ziemlich delikat. Es werden wichtige Männer da sein, möglicherweise auch welche, deren Gesicht du schon in der Zeitung gesehen hast. Für dich müssen sie aber gänzlich unbekannt sein, vor und nach der Begegnung. Hast du mich verstanden?«
Sie nickt.
»Mein einziger Vorzug ist es immer gewesen, dass ich denen, die sich an mich wenden, absolute Diskretion garantieren kann. Das führt dazu, dass in bestimmten Kreisen Empfehlungen ausgesprochen werden, die zu einer Erweiterung meines Bekanntenkreises führen. Bekannte bedeuten Geld. Für dich und für mich.«
Diese Ansprache war notwendig. Wie andere, die ich noch halten werde, sehr viel direktere und detailliertere. Fürs Erste habe ich versucht, mich so auszudrücken, dass sie sich nicht ausschließlich als Nutte fühlt. Ihr Verhältnis zu dem, was sie tun wird, Laura docet , ist ihre eigene Angelegenheit. Meine Arbeit endet vor der Schlafzimmertür.
Nicht zuletzt, weil ich hinter dieser Tür nicht viel zu bieten habe.
Mir fällt auf, dass sie abwesend wirkt. Sie fixiert eine Stelle vor sich und sieht wer weiß was. Wenn das, was sich in ihrem Gesicht spiegelt, Unschlüssigkeit ist, dann sollten wir das besser klären, bevor es zu spät ist.
»Hast du irgendwelche Bedenken? Möchtest du es dir noch mal überlegen?«
Carla schaut mich auf diese Weise an, die mich jedes Mal in ein kleines Luftloch fallen lässt.
»Nein, da gibt’s nichts zu überlegen. Es ist nur, dass ich eine unerwartete Welt entdecke, Bravo. Sie ist nicht sauber, sie ist nicht ehrenhaft, sie ist nicht mit dem Gewissen zu vereinbaren. Aber sie bringt an einem Abend den Betrag, den ich sonst in einem Jahr verdiene. Und ich bin das alles leid, diese neu besohlten Schuhe, diese drittklassigen Friseusen, dieses Haus, wo der Essensgestank schon in den Putz gekrochen zu sein scheint.«
Ihre Stimme spiegelt all diese Dinge, und ich vermeine sie zu sehen und zu riechen, während sie spricht.
»Ich möchte eine richtige Wohnung, Kleider, ein Auto, Sicherheiten. Mir ist egal, was für eine Gegenleistung ich dafür erbringen muss. Die Träume, wenn es überhaupt welche gibt, kommen später dran. Im Moment zählen nur Notwendigkeiten und Dinge, die ich vergessen muss. Ich habe die Absicht, sie alle auszulöschen, eins nach dem anderen.«
Sie lächelt mich an. Aber es liegt keine Freude auf ihren Lippen, nur Spuren des Bedauerns.
»Heute habe ich drei Dinge begriffen, und das verdanke ich dir. Das erste ist, dass auch ich schön sein kann. Das zweite ist, dass ich, sei es nun zum Guten oder zum Schlechten, selber entscheiden kann, was aus meinem Leben wird. Das dritte …«
Sie schweigt. Ich dränge sie. Nicht aus Neugierde, sondern im Zuge einer seltsamen, sadistischen Neigung zur Selbstauslöschung.
»Das dritte?«
Ihr Lächeln hat sich verändert, und sie kommt näher. Sie stellt die Tüten ab, die sie in der Hand hält, und richtet sich wieder auf. Mit Absätzen ist sie fast so groß wie ich. Sie schaut mich an, umarmt mich und legt ihre Lippen auf meine. Während sie das tut, hält sie die Augen geschlossen. So bleibt sie, wie es mir scheint für eine Ewigkeit, dann löst sie sich, und die Uhren laufen weiter.
»Das dritte würde ich gerne, falls es recht ist, vorerst für mich behalten.«
Sie nimmt die Tüten, macht sich auf den Weg und lässt mich stocksteif auf dem Bürgersteig stehen, so alleine, wie ich es nie sein zu können geglaubt hätte. Ich folge ihr und hole sie ein, weil ich nicht anders kann. Schweigend gehen wir nebeneinanderher, betrachten die Welt und lassen uns betrachten, bis wir den Wagen erreichen. Ich öffne den Kofferraum, und die Tüten und Päckchen gesellen sich zu denen, die sich bereits darin befinden. Wenn ich mich für einen Geschäftsmann halten darf, dann darf ich das als eine Investition in die Zukunft betrachten.
Wir steigen in den Wagen und lassen die Galleria del Corso und das Crota Piemunteisa hinter uns, wo ich in meiner ersten Zeit in Mailand tonnenweise Brötchen mit Wurst und Sauerkraut verdrückt habe. Nicht weil ich ein Snob war,
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