Der Frauenhaendler
er.
»Wenn ich das immer noch nicht kapiert hätte, wäre ich wirklich ein Idiot.«
Dann steigt er aus, seinen Wunderkoffer in der Hand. Als er draußen ist, beugt er sich hinab und steckt den Kopf durchs offene Fenster. »Ich muss ihn gar nicht holen.«
Er steckt die Hand in die Innentasche seiner Jacke und zieht einen Umschlag heraus. Es ist dieselbe Geste, mit der Daytona am Tag zuvor sein kleines trojanisches Pferd voller Zeitungsausschnitte herausgezogen hat. Aber es ist ein anderer Mann, der sie ausführt. Ein ganz anderer.
»Hier ist er, der Schein.«
Ich öffne den Umschlag und vergleiche ihn mit meinem Zeitungsausschnitt und mit der Fotokopie. Alles stimmt überein: Datum, Ergebnis, Entwertungsstreifen, Nummer der Annahmestelle. Ich schaue ihn an, und diesmal bin ich es, der staunt. Remo Frontini lächelt wieder.
»Bravo, ich glaube, dass ich eine anständige Person bin. Und was auch immer Sie von sich selbst denken, ich bin überzeugt, dass Sie auch eine sind. Ich danke Ihnen für Ihren Ratschlag und erlaube mir, Ihnen auch einen zu erteilen.«
»Nur zu.«
»Es ist das Gegenteil von dem, was Sie mir geraten haben. Ich werde eine Weile abwarten, bevor ich mein Leben ändere. Sie dagegen sollten Ihres schleunigst ändern. Sie verdienen etwas Besseres. Guten Tag.«
Mir bleibt gar nicht die Zeit für eine Antwort, denn er hat sich schon wieder aufgerichtet und in Richtung Bank aufgemacht, um sein Kleingeld vor indiskreten Augen und langen Fingern in Sicherheit zu bringen. Ich bleibe alleine zurück, meinen Umschlag in der Hand.
Das ist ein unverhofftes Glück. Jetzt kann ich das, was ich mir vorgenommen habe, in aller Ruhe erledigen. Aus der Innentasche ziehe ich das Ergebnis der jüngsten Bemühungen meines Freundes Pino, eines der besten Fälscher, die es zurzeit gibt. Ich hatte einen Wettschein in Auftrag gegeben, der zwar dem kritischen Blick von Experten niemals standhalten würde, der aber Tano Casale das Gefühl geben wird, im Besitz des siegreichen Scheins zu sein. Wenn er ihn gleich morgen früh einlöst, kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ich morgen Abend mit einem Stein an den Füßen auf dem Grunde des Ticino liege und die Sprache der Fische lerne. Aber ich zähle auf seine Gier, damit nichts dergleichen geschieht. Ich habe ihm nämlich einen Vorschlag zu machen, der mir für einige Zeit den Hintern retten dürfte.
Für die nötige Zeit …
Ich stecke den falschen Schein in den Umschlag. Eine Sekunde später taucht aus dem Nichts Milla neben meinem Fenster auf.
»Alles in Ordnung?«
»Alles in Ordnung.«
Ich strecke ihm hin, was ich in den Händen halte.
»Nimm. Das ist das, was du Tano Casale übergeben sollst.«
»Du wirst es ihm selbst übergeben. Er hat gesagt, dass er sehr gerne mit dir reden würde. Deshalb denke ich, du solltest mitkommen.«
Sein Jolly-Joker-Gesicht taucht aus einem Stapel durcheinandergeratener Karten auf, aber dieses Mal lächelt es nicht. Sein Tonfall ist der einer Person, die nicht in meiner Haut stecken will. Tatsache ist, dass nicht einmal ich selbst das will. Er kann nicht wissen, dass es sich dabei nur um eine weitere Ungewissheit handelt, die sich zu den anderen hinzugesellt.
»Okay. Fahr voran. Ich folge dir.«
Er verschwindet, und kurze Zeit später fährt sein Wagen an mir vorbei. Ich ziehe aus der Parklücke heraus und folge der Giulietta. Wegen der Ampeln haben wir Probleme, uns nicht zu verlieren, als wir Cesano verlassen.
Unterwegs betrachte ich Millas Nacken. Ich weiß nicht, was ich von ihm zu erwarten habe. Eigentlich hatte ich ihn immer für eine Art Beschützer gehalten, was auch immer das in einer Welt bedeutet, in der die Menschen beim geringsten Anzeichen für Ärger ihre eigene Mutter verraten würden. Jetzt, da er aus der Deckung gekommen ist und sich als Tanos Mann zu erkennen gegeben hat, scheinen mir keine Unklarheiten mehr darüber zu bestehen, auf welche Seite er sich im Zweifelsfall schlagen würde. Was ich nicht weiß, ist, bis zu welchem Grad er mit ihm verbandelt ist und wie weit er gehen würde.
Auf Höhe meines Hauses fahren wir auf die Umgehungsautobahn und begeben uns in Richtung Süden. Mein kleines Auto quält sich ein wenig, mit dem Alfa Schritt zu halten. Die beiden Lottoscheine fühlen sich in meinen Taschen an wie glühende Eisen. Wenn mich Tano Casale aus irgendeinem Grund, den ich mir nicht auszumalen wage, durchsuchen lassen sollte, könnte ich das Bad im Ticino noch vor heute
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