Der Frauenhaendler
dem ich nicht glauben kann, dass ich es wirklich sehe. Der Umschlag ist voll mit Zeitungsausschnitten, die alle exakt die Größe eines Hunderttausend-Lire-Scheins haben.
Kapitel 12
Ich parke in der Via Roma, vor dem anonymen Gebäude einer Bank, und bleibe in dem geheimnisbehafteten Wagen sitzen. Heute Morgen bin ich früh aufgestanden und habe das Haus verlassen, ohne zu duschen und mich zu rasieren. Ich hatte beschlossen, dass die Personen, die ich treffen möchte, mich in der unzivilisierten Version akzeptieren müssen.
Vor der Tür traf ich Lucio mit seinem weißen Stock und der dunklen Brille. Er stieg soeben die letzten Stufen hinauf, erreichte den Treppenabsatz und blieb stehen. Das Geräusch der sich öffnenden und schließenden Tür ließ ihn auf meine Gegenwart schließen.
»Du bist früh dran.«
»Du aber auch, würde ich sagen.«
Er steckte die Hand in die Tasche und holte den Wohnungsschlüssel heraus. Dann tastete er mit den Fingern über die Tür und steckte ihn ins Schlüsselloch.
»Ich hatte gestern Abend einen Termin in einem Aufnahmestudio im Castello di Carimate. Die Sache hat sich hingezogen, darum habe ich dort geschlafen. Heute Morgen musste ich dann die einzige Rückfahrgelegenheit nutzen, und die ging kurz nach Sonnenaufgang, wie du siehst.«
Er hatte die Tür aufgeschlossen und steckte den Schlüssel wieder in die Tasche.
»Ich habe ein neues für dich.«
Ich hatte keine Lust auf Kryptogramme und auch keine Zeit dafür und versuchte, ihm das mitzuteilen, ohne ihn zu kränken.
»Das ist leider nicht der richtige Moment, Lucio. Ich bin wahnsinnig in Eile.«
Er gab sich nicht geschlagen.
»Um das Gehirn in Gang zu bringen, ist immer der richtige Moment. Ein einfaches, hör zu: Bedenklich fette Beute unter Siegel. 3, 5, 4. Eingeprägt?«
»Eingeprägt.«
Ich ging die Treppe hinunter, aber seine Stimme hielt mich noch einmal auf.
»Bravo, eine Sache noch.«
»Schieß los.«
»Danke für den Abend neulich. Mit Carla, meine ich. Mir ist nicht klar, in was für einer Beziehung ihr zueinander steht, aber ich bin mir sicher, dass ich es dir zu verdanken habe, was geschehen ist.«
Für einen kurzen Moment legte sich das Bild von den beiden Körpern auf dem Bett über die Dinge um mich herum. Dann war ich wieder ich selbst.
»In Ordnung, Musiker. Und jetzt lass mich gehen.«
Ich hörte, wie sich die Tür schloss, als ich auf dem letzten Treppenabschnitt war. Dann tat ich alles, was ich zu tun hatte, in der Höchstgeschwindigkeit, die ein mäßiger Verkehr zulässt: Bank, eine Million an der Kasse, schnell zu Pino nach Cormano. Dort nahm ich das Ergebnis seiner Zauberkünste in Empfang und umfuhr im Slalom die Blicke seiner Tochter, seine Einladungen und seine guten Ratschläge, diese uralten Weisheiten, die ihn allerdings nicht davor bewahrt hatten, mehrfach im Gefängnis zu landen.
Jetzt stehe ich hier und warte, in der Hoffnung, dass der Erfolg ein anderer sein möge als am vergangenen Abend.
Ein hellgrüner Simca 1000 fährt an mir vorbei und parkt ein paar Lücken weiter vorne. Wenige Augenblicke später steigt Remo Frontini aus. Er trägt eine blaue Jacke, die bessere Tage gesehen hat, und eine Hose, die auf einen Kilometer Entfernung nach Ausverkauf riecht. Ich steige aus und gehe ihm entgegen. Man sieht ihm an, dass er in der vergangenen Nacht nicht viel geschlafen hat. Aus verschiedenen Gründen bin ich in derselben Situation wie er. Die merkwürdige Assonanz lässt meine Sympathie wachsen und in der Folge auch meine Sorge um ihn. Das liegt vielleicht an dieser instinktiven, unerbittlichen Anziehungskraft, die Ehrlichkeit auf Personen wie mich ausübt.
»Guten Tag, Signor Frontini.«
»Hoffen wir, dass es einer sein wird.«
»Das wird er, da können Sie ganz beruhigt sein. Vertrauen Sie mir.«
Möglicherweise denkt er, dass er keinen Grund hat, mir zu vertrauen, was wiederum der Grund für seine Unruhe ist. Unbeholfen und mit der Miene dessen, der es nicht erwarten kann, die Sache hinter sich zu bringen, greift er in seine Tasche und hält mir ein einmal zusammengefaltetes Blatt in Briefgröße hin.
»Hier ist das, worum Sie mich gebeten haben.«
Ich klappe es auf und werfe einen Blick auf die Fotokopie. Sie ist gut zu lesen. Aus meiner Jackentasche hole ich den Zeitungsausschnitt mit den Gewinnzahlen, den ich mir besorgt habe, und vergleiche die Zahlen mehrfach. Wenigstens diese Nummern stimmen überein.
»Sehr gut. Jetzt müssen wir nur noch
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