Der Frauenhaendler
mir etwas an die Jacke. Ich ziehe sie aus und werfe sie auf den Wäschekorb.
Dann wasche ich mir das Gesicht, und mein Blick fällt auf den Spiegel.
Das, was ich sehe, ist nicht mehr das Gesicht des Mannes, den ich kannte. Ich habe Ringe unter den Augen, die Haut ist gelblich, von den trockenen Lippen lösen sich Hautfetzen. In meinen Haaren kleben Reste von Spinnweben, die ich mir, ohne es zu merken, auf dem Bauernhof eingefangen haben muss.
Der schöne, nichtsnutzige Junge, der einst die Frauen zu Bekenntnissen verleitete – Mit dir würde ich auch umsonst mitgehen … – und der trotz seines Zynismus und seiner anmaßenden Art nicht begriffen hat, dass das alles nur Lügen waren, scheint an jenem Scheißort neben Daytona liegen geblieben zu sein. Der, der mich anschaut, ist ein anderer Mann. Wie anders er ist, muss ich herausfinden, bevor es andere tun.
Ich ziehe das Hemd aus, das den Weg der Jacke nimmt. Aus dem Schrank im Flur nehme ich ein neues, hole eine Reisetasche und lege sie aufs Bett. Dann mache ich den Fernseher an. Auf der Suche nach Nachrichten schalte ich durch die Kanäle. Erstes Programm, Zweites Programm, Telemilano, Antenna 3 und noch ein paar andere, die in der Zeitung als Lokalsender bezeichnet werden. Leider laufen nur Kindersendungen und ähnlicher Mist.
Ich schalte den nutzlosen Apparat aus und stelle den Radiowecker auf dem Nachtschränkchen an.
Nun beginne ich damit, die Tasche mit Kleidungsstücken und den nötigen Dingen für eine kurze Reise zu füllen. Die gesamte Zeit über dringt die Stimme von Claudio Baglione aus dem winzigen Lautsprecher. Er singt von Tunesien und schwärmt davon, wie es ist, ganz weit fortzugehen. Ich wünschte, er würde hier im Zimmer singen. Dann könnte ich ihm sagen, dass ich das nur allzu gern täte.
Als die Tasche voll ist und ein altes Stück von Dik Dik ertönt, widme ich mich meinem besonderen Tresor, jenem, den die Polizisten während der Hausdurchsuchung nicht gefunden haben.
Mein schmiedeeisernes Bett hat vier runde Beine an den Seiten von Kopf- und Fußende. Sie sind ein wenig höher und größer als üblich und münden in Messingkugeln. Ich beuge mich zur ersten Kugel vor und drehe den Ring darunter, der auf den ersten Blick wie Dekoration wirkt, um dreihundertsechzig Grad. Auf diese Weise löse ich die Blockade der Kugel, die sich nun ebenfalls drehen lässt, allerdings nur im Uhrzeigersinn und damit in die andere Richtung als üblich. Ein einfaches Prinzip, aber in Anbetracht des Resultats offenbar sehr wirksam. Im Innern des Beins befindet sich ein leichter Plastikzylinder, der mit einem Bindfaden an der Kugel festgebunden ist. Ich ziehe ihn heraus und nehme den Korken ab, der ihn verschließt. Dann kippe ich die zusammengerollten Scheine aufs Bett. Die Prozedur wiederhole ich mit den anderen drei Beinen und trage so all mein Bargeld zusammen, außerdem die vierhundertneunzig Millionen, die im Moment noch in dem Totoschein stecken.
Mir war es immer sinnvoller erschienen, nicht mein gesamtes Geld der Bank anzuvertrauen. Erstens könnte sich im Falle einer Kontrolle ein signifikanter regelmäßiger Geldzufluss ohne plausible Erklärung als kompromittierend erweisen. Zweitens könnten sich Situationen ergeben, in denen es nicht ratsam wäre, Schecks oder Kreditkarten zum Einsatz zu bringen.
Die jüngsten Ereignisse lassen meine Vorsicht, die ich selbst manchmal übertrieben fand, gerechtfertigt erscheinen. Eine volkstümliche Weisheit besagt, dass an zu viel Vorsicht noch niemand gestorben ist, und ich hatte nie das Bedürfnis, dem zu widersprechen.
Das Geld stecke ich in die Reisetasche, den Wettschein in die Hose. Den Piepser lasse ich auf dem Nachtschränkchen zurück, da er sich als zweischneidiges Schwert erweisen könnte. Ich greife nach meiner Tasche, nicht mit der emotionalen Labilität eines Emigranten, sondern mit der eines gehetzten Mannes. Das Musikprogramm endet, und es beginnt eine Nachrichtensendung. Bereit für eine Reise von unbestimmter Dauer und mit ungewisser Rückkehr, bleibe ich im Zimmer stehen und höre zu.
Dann schalte ich das Radio aus, ohne das Ende der Nachrichten abzuwarten.
Die Stimme des Journalisten ist in meine Wohnung eingedrungen und hat Wort für Wort die Welt um mich herum in Schutt und Asche gelegt. Während ich zur Tür hinaustrete, jetzt nicht mehr von der Eile, sondern von Wut getrieben, frage ich mich, ob das, was von meinem Leben noch bleibt, ausreichen wird, um die Trümmer wieder
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