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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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den sonst üblichen Höhepunkt nicht erreichte.
    «Was ist los?», erkundigte er sich mit den Lippen an ihrem Ohr. «Bist du sauer, weil ich wegen dem blöden Buch einen Aufstand gemacht habe?»
    «Nein, ich bin nur nicht in Stimmung», sagte sie. «Es ist spät, es war ein merkwürdiger Tag, und ich bin müde.»
    «Natürlich», sagte er. «Ich dachte nur, ich könnte etwas gegen deine Traurigkeit unternehmen. Endorphine machen glücklich.»
    «Wenn du die beiden Königskinder in all dem Dreck gesehen hättest, hättest du jetzt auch keine Lust mehr auf Endorphine», erwiderte sie. «Lass uns ins Bett gehen.»
    Statt zu akzeptieren, dass man nicht jedes Mal Erfolg haben konnte, machte er weiter, kaum dass sie unter der neuen Doppeldecke lagen. Eine geschlagene halbe Stunde zog er alle Register, nichts half. Im Gegenteil, je mehr Mühe er sich gab, umso verkrampfter wurde sie, fühlte sich wie ein Glücksspielautomat,in den er Münze um Münze hineinwarf. Er hoffte und wartete auf den großen Gewinn, und es kam nichts.
    Schließlich schien er einzusehen, dass es keinen Sinn hatte, wollte sie nur noch ein Weilchen im Arm halten, damit sie ihn nicht für einen Egoisten hielt und nicht wieder stundenlang wach lag.
    Als würde er einem Kind ein Märchen erzählen, begann er über die Meisenknödel im Garten zu reden, über die Körnersäckchen und Fettringe, die er erst am vergangenen Sonntag aufgehängt hatte. «Die sind schon fast leer. Kein Wunder, bei dem Schnee finden sie ja sonst nichts. Wenn du morgen Einkäufe machst, denkst du daran, neues Vogelfutter mitzubringen? Es bleibt bestimmt noch eine Weile so kalt und wird garantiert auch noch mehr Schnee geben.»
    Das belanglose Thema und seine leise, beiläufig klingende Stimme machten sie schläfrig. Dass er sie dabei streichelte, war angenehm und entspannend, aber nicht unbedingt erregend. Er lullte sie regelrecht ein mit seiner Sorge um Spatzen, Finken, Meisen und Amseln. Bis die Lust sie dann plötzlich überschwemmte. «Na, siehst du», sagte er.
    In dem Moment hätte sie ihn ohrfeigen mögen für seine Zufriedenheit, seine Hartnäckigkeit, seine Perfektion, für die Tatsache, dass er ihr niemals, nicht einmal für zwei Minuten, einen Grund gab, mit Recht unzufrieden zu sein.
    Trotzdem – oder wegen seiner Hartnäckigkeit und ein paar Endorphinen im Blut – schlief sie rasch ein und schreckte nur einmal hoch aus einem Traum, in dem Karola splitterfasernackt an den silbergrauen Peugeot von Heidrun Merz gefesselt war. Das Auto stand in der Kiesgrube, eine Horde langhaariger Affen tanzte drum herum. Und ein Motorradfahrer mit schwarzem Helm hielt direkt auf die Gruppe zu. Doch ehe er den Ring aus Affen durchbrach, fuhr ein greller Blitz aus schwarzem Himmel herunter, tauchte Karola in gleißendesLicht und riss Marlene aus dem Schlaf. Das war um zwanzig nach drei. Sie ging aufs Klo, legte sich wieder hin und war zwei Minuten später schon wieder weg. Abgesehen von dieser kleinen Unterbrechung, war es eine erholsame, nur leider viel zu kurze Nacht.

Nummer neun
    Den Gürtel zu entflammen war nicht so einfach, wie sie gedacht hatte. Wohlweislich hielt sie das brennende Zündholz an die untere Umwindung, damit der Stoff von unten nach oben abbrannte, wo er von der Schnalle gehalten wurde. Wäre der Stoff zuerst oben abgebrannt, hätte sich die Umwicklung wahrscheinlich gelöst, und der Rest wäre ihr brennend auf die Finger gerutscht.
    Doch zuerst kokelte und schmorte der Stoff nur so vor sich hin, ohne einen nennenswerten Schimmer zu verbreiten. Sie musste ihn wiederholt vorsichtig anpusten, ehe er endlich richtig brannte. Dank dem verstärkenden Material zwischen den beiden Stofflagen – was immer das auch sein mochte – brannte er dann allerdings schön gleichmäßig rund um ihren vier Handbreit langen astähnlichen Fund in die Höhe.
    Eine hervorragende Fackel, in deren Schein sie eine Felswand ausmachte, die fünfzehn oder zwanzig Meter von der Kuhle entfernt sein mochte. Es war bei den Lichtverhältnissen schwer zu schätzen. Es musste ja auch mehr als nur eine Wand geben, aber die anderen waren überhaupt nicht zu sehen.
    Der Boden fiel zu der einen Wand hin merklich ab, das war gut zu erkennen. Etwa auf halber Strecke verlief in Schlangenlinien, trotzdem parallel zur Wand ein breiter, dunkler Streifen, der sich deutlich vom restlichen Untergrund abhob. Das mussteder Graben sein. Ihre Kriechspur, die sie ein Stück weit mit den Augen verfolgen konnte,

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