Der Frauenjäger
wohl nur nicht immer oder nicht genau, was du willst oder brauchst. Lass uns darüber heute Abend reden.» Nun warf er verstohlene Blicke zu den Kindern. «Das ist kein Thema, um es zwischen dem letzten Schluck Kaffee und der Türangel abzuhandeln. Ich bin heute den ganzen Tag im Büro, ich muss die Straßburg-Sache vorbereiten. Aber ich sehe zu, dass es nicht zu spät wird, einverstanden?»
Als sie nickte, sagte er noch: «Und ich würde mich freuen, wenn wir morgen mal wieder zusammen die Einkäufe fürs Wochenende machen könnten. Das haben wir lange nicht mehr getan. Wenn es etwas gibt, das wir dringend brauchen, kannst du das ja vorab besorgen. Du kannst dich auch schon mal nach einem Auto für Ulla umsehen oder umhören. Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn du ihr aus der Klemme hilfst. Am besten telefonierst du erst mit einigen Händlern, lauf nicht gleich zu Hilscher. Da kriegst du für Ulla wahrscheinlich Sonderkonditionen, aber die bekommst du inzwischen überall.»
«Ich kann ja mal im Internet schauen», bot Leonard an.
«Gute Idee», lobte Werner und erhob sich.
Eine knappe halbe Stunde später war Marlene allein und setzte sich nicht wie am vergangenen Morgen noch einmal mit dem letzten Kaffee aus der Kanne und
Monas Tagebuch
an den Tisch. Die Raststättenepisode und die Sache auf der Autobahn kannte sie ja inzwischen. Die von Ulla angeführte dritte Pornoszene interessierte sie ebenso wenig wie ein Opernbesuch, bei dem Canis Majoris erwähnt wurde. Den Rest wollte sie langsam angehen, sich dabei kritisch mit der eigenen Situation auseinandersetzen und überlegen, wie und was sich daran ändern ließ, ohne Werners Welt in den Grundfesten zu erschüttern.
Sie räumte den Tisch ab und ging nach oben, tauschte denHausanzug gegen eine ältere Jeans und ein Shirt, mit dem sie auch nicht mehr aus dem Haus gegangen wäre – höchstens bis zu den Abfalltonnen im Verschlag neben der Einfahrt. Dann holte sie den Staubsauger.
Bis kurz nach elf war sie mit dem Hausputz beschäftigt. Danach wollte sie unter die Dusche, vorher hätte es ja nicht gelohnt, anschließend in die Stadt, Werners Anzug in die Reinigung bringen und ein paar frische Zutaten fürs Abendessen besorgen. Wenn er zusehen wollte, dass es auch heute nicht zu spät wurde, hätte sie ihn gerne mit einer Köstlichkeit überrascht, als Entschädigung für den Groll der vergangenen Nacht, von dem er gar nicht wusste, dass sie ihn gehegt hatte. Eine Lachslasagne vielleicht. Nachkochen, was sie woanders gegessen hatte, war eine ihrer Stärken, auch wenn sie die Lasagne wahrscheinlich nicht so hinbekäme wie der Italiener am Mittwochabend. Dazu einen knackigen Salat.
Während sie den Staubsauger zurück in den Keller brachte und dabei überlegte, ob sie zum Nachtisch noch das Schokodessert machen sollte, das Werner so gerne aß, klingelte im Wohnzimmer das Telefon. Nach all den Aufregungen des Donnerstags ging sie davon aus, dass wieder irgendwas passiert war und jemand ihre Hilfe brauchte. Ulla wahrscheinlich.
Sie ließ den Staubsauger auf der Kellertreppe stehen und hastete nach oben. Das Display zeigte einen unbekannten Anrufer. Ein wenig außer Atem meldete sie sich wie gewohnt nur mit ihrem Nachnamen. Eine Männerstimme reagierte darauf mit einem kurzen Lachen und der Erklärung: «Sie hatten recht, Ihr Name steht tatsächlich direkt vor der Nummer im Telefonbuch.»
Der aufdringliche Freiberufler mit dem Siegburger Kleinwagen. Fischer. Den Hintergrundgeräuschen nach zu urteilen, war er im Auto unterwegs. Nachdem er sich vergewissert hatte, dasssie wusste, mit wem sie sprach, begann er: «Ich habe Sie gestern Vormittag im Radio gehört.» Und er bedauerte, was ihrer Freundin zugestoßen war. «Man steckt nicht drin, nicht wahr? Geht aus dem Haus, will zur Arbeit, zu einem Termin oder wieder heim und kommt nicht mehr an. Wie geht es Frau Merz denn? Das klang gar nicht gut gestern.»
«War es auch nicht», antwortete Marlene. «Sie ist gestorben.» Auf die Freundschaft ging sie nicht ein, fragte sich nur, ob er die ganze Sendung gehört hatte, auch das Märchen vom mysteriösen Fremden, der auf Parkplätzen und in Einkaufscentern einsame Frauen ansprach.
«Das tut mir leid», sagte er. Danach war es bis auf die Fahrgeräusche sekundenlang still in der Leitung. Offenbar überlegte er, ob er sie unter diesen Umständen mit seinem Ansinnen behelligen durfte. Er hatte genauso wenig Hemmungen wie Karola oder Annette, sein Ziel
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