Der Frauenjäger
bezüglich des Anzugs Entwarnung. Wo Mama war, konnte er den Kindern verständlicherweise nicht sagen. An eine Entführung mochte er zwar nicht glauben, aber man konnte nie wissen. Als Unternehmensberater machte man sich nichtüberall Freunde. Der höchste Kostenfaktor in den meisten Firmen war nun mal das Personal. Deshalb wurde dort zuerst rationalisiert. Und manch einer, der danach auf der Straße stand, hatte schon Rache geschworen.
So musste erst einmal Werner beruhigt werden, als Marlene daheim eintraf. In dieser Ausnahmesituation war sein Handy eingeschaltet. Er nahm das Gespräch auch sofort an.
Sie beschränkte sich darauf, ihm zu erklären, wem er letzte Nacht Beistand geleistet hatte, dass Heidrun Merz ihren Verletzungen erlegen war und Karola sie gebeten hatte, ins Studio zu kommen, um über den vergangenen Abend zu reden.
Den Tod der Autorin fand Werner tragisch, aber absehbar. Sonderlich betroffen klang er nicht. Dafür war er zu aufgebracht. Dabei verstand er durchaus, dass sie Karola die Bitte nicht hatte abschlagen mögen. Aber eine Nachricht auf dem Küchenblock hätte gereicht. Nur drei Worte oder fünf:
Bin bei Karola im Studio
. Dann wäre es für die Kinder nicht so dramatisch gewesen.
«Ich weiß», entschuldigte Marlene sich. «Aber es ging so schnell. Ich musste mich beeilen und habe in der Aufregung nicht daran gedacht. Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass es so spät wird. Normalerweise wäre ich um halb eins wieder hier gewesen. Aber Karola hat mich noch zum Essen und einem Kaffee eingeladen. Sie hatte einiges auf dem Herzen, was sie unbedingt loswerden musste. Das erzähle ich dir, wenn wir mehr Zeit haben.»
«Du kannst es mir beim Abendessen erzählen», erklärte Werner. «Ich schätze, dass ich gegen acht Uhr daheim bin.»
«Fein», freute sie sich, «dann koche ich uns etwas Leckeres. Was hältst du von Putenfilet, Broccoli und Kartoffelkroketten?» Das ging schnell, sie musste nur rasch Fleisch und Gemüse besorgen. Das konnte sie auf dem Weg zur Reinigung tun. Kartoffelkroketten waren im Gefrierschrank.
«Mach dir keine Mühe», sagte Werner. «Ich bringe etwas vom Chinesen mit.»
Johanna hatte mit entsetzter Miene zugehört und ihr Handy gezückt, noch während ihre Eltern miteinander sprachen. Als Werner auflegte, hörte Marlene ihre Tochter sagen: «Weißt du schon, was letzte Nacht passiert ist, Kirsten? Es ist ganz furchtbar …»
Johanna machte sich anschließend auf den Weg zu Kirsten Barlow. Kurz darauf rief Annette an, war soeben von ihrer Tochter ins Bild gesetzt worden und ebenso schockiert, wie Karola und Marlene es morgens gewesen waren. «Wieso habt ihr mir denn nicht sofort Bescheid gesagt?»
«Karola hat heute früh zuerst versucht, dich zu erreichen», erklärte Marlene und erzählte der Reihe nach.
Das dauerte ein Weilchen, weil Annette, die sonst nicht so leicht zu erschüttern war, völlig außer sich geriet und sie immer wieder unterbrach. Auch Annette war der Meinung, das könne kein selbstverschuldeter Unfall gewesen sein. Bestimmt kein Unfall unter Alkoholeinfluss. Sie machte sich Vorwürfe, weil sie Heidrun Merz so oft wegen der Lesung bedrängt hatte.
Als Marlene daraufhin Karolas Spekulationen zum
Tathergang
wiedergab: Monas Mörder kommt als freier Journalist getarnt zur Lesung, steigt an roter Ampel zu Heidrun Merz ins Auto, flößt ihr Schnaps ein und so weiter, verwandelte sich Annettes Betroffenheit in Zorn, und die Vorwürfe richteten sich gegen Marlene.
«Das hast du doch hoffentlich nicht nachgeplappert», fuhr Annette sie an. «Karola tickt nicht mehr sauber. Letzte Woche war’s noch Andreas und jetzt …»
«Wieso Andreas?», unterbrach Marlene den Redeschwall.
«Das sprang einem doch förmlich ins Auge», antwortete Annette sarkastisch. «Für Karola passte alles zusammen. Mona war wie Andreas auf die Wüste fixiert und verschwand rundneun Wochen, nachdem er abgetaucht war. Ein bisschen Zeit braucht man ja für die Vorbereitungen, wenn man eine Frau zu abartigen Spielchen überreden und sie dann umbringen will. Das lässt sich mit einem Job bei Scheidweber nicht vereinbaren. Er musste sich also vorher aus dem Staub machen.»
«Aber Karola war doch überzeugt, er sei mit Barbara König …»
«Überzeugungen kann man wechseln», hielt Annette dagegen. «Barbara König hat die Affäre mit Andreas stets bestritten. Dann war das eben nicht gelogen.»
«Aber als der Typ im April 2006 Mona verfolgt hat, war Andreas
Weitere Kostenlose Bücher