Der Freigeist
Adrast wiederliebt; und wenn dieses nicht ist, so wuerde ich zu zeitig auf Rache denken.
Lisette . Oh! die christliche Seele! Nun ueberlegt sie erst, dass man sich nicht raechen soll.
Theophan . Nicht so spoettisch, Lisette! Es wuerde hier von einer sehr unschuldigen Rache die Rede sein.
Henriette . Das meine ich auch; von einer sehr unschuldigen.
Lisette . Wer leugnet das? von einer so unschuldigen, dass man sich mit gutem Gewissen darueber beratschlagen kann. Hoeren Sie nur! Ihre Rache, Herr Theophan, waere eine maennliche Rache, nicht wahr?
und Ihre Rache, Mamsell Henriette, waere eine weibliche Rache: eine maennliche Rache—nun, und eine weibliche Rache—Ja! wie bringe ich wohl das Ding recht gescheut herum?
Henriette . Du bist eine Naerrin mitsamt deinen Geschlechtern.
Lisette . Helfen Sie mir doch ein wenig, Herr Theophan.—Was meinen Sie dazu? Wenn zwei Personen einerlei Weg gehen muessen, nicht wahr? so ist es gut, dass diese zwei Personen einander Gesellschaft leisten?
Achter Auftritt
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Theophan . Jawohl; aber vorausgesetzt, dass diese zwei Personen einander leiden koennen.
Henriette . Das war der Punkt!
Lisette (beiseite). Will denn keines anbeissen? Ich muss einen andern Zipfel fassen.—Es ist schon wahr, was Herr Theophan vorhin sagte, dass es naemlich noch sehr ungewiss sei, ob Mamsell Juliane den Adrast liebe.
Ich setze sogar hinzu. Es ist noch sehr ungewiss, ob Herr Adrast Mamsell Julianen wirklich liebt.
Henriette . O schweig, du unglueckliche Zweiflerin. Es soll nun aber gewiss sein!
Lisette . Die Mannspersonen bekommen dann und wann gewisse Anfaelle von einer gewissen wetterwendischen Krankheit, die aus einer gewissen Ueberladung des Herzens entspringt.
Henriette . Aus einer Ueberladung des Herzens? Schoen gegeben!
Lisette . Ich will Ihnen gleich sagen, was das heisst. So wie Leute, die sich den Magen ueberladen haben, nicht eigentlich mehr wissen, was ihnen schmeckt, und was ihnen nicht schmeckt: so geht es auch den Leuten, die sich das Herz ueberladen haben. Sie wissen selbst nicht mehr, auf welche Seite das ueberladene Herz hinhaengt, und da trifft es sich denn wohl, dass kleine Irrungen in der Person daraus entstehen.— Habe ich nicht recht, Herr Theophan?
Theophan . Ich will es ueberlegen.
Lisette . Sie sind freilich eine weit bessere Art von Mannspersonen, und ich halte Sie fuer allzu vorsichtig, als dass Sie Ihr Herz so ueberladen sollten.—Aber wissen Sie wohl, was ich fuer einen Einfall habe, wie wir gleichwohl hinter die Wahrheit mit dem Herrn Adrast und der Mamsell Juliane kommen wollen?
Theophan . Nun?
Henriette . Du wuerdest mich neugierig machen, wenn ich nicht schon hinter der Wahrheit waere.—
Lisette . Wie? wenn wir einen gewissen blinden Laerm machten?
Henriette . Was ist das wieder?
Lisette . Ein blinder Laerm ist ein Laerm wohinter nichts ist; der aber doch die Gabe hat, den Feind—zu einer gewissen Aufmerksamkeit zu bringen.—Zum Exempel: Um zu erfahren, ob Mamsell Juliane den Adrast liebe, muesste sich Herr Theophan in jemand anders verliebt stellen; und um zu erfahren, ob Adrast Mamsell Julianen liebe, muessten Sie sich in jemand anders verliebt stellen. Und da es nun nicht lassen wuerde, wenn sich Herr Theophan in mich verliebt stellte, noch viel weniger, wenn Sie sich in seinen Martin verliebt stellen wollten: so waere, kurz und gut, mein Rat, Sie stellten sich beide ineinander verliebt.—Ich rede nur von Stellen; merken Sie wohl, was ich sage! nur von Stellen; denn sonst koennte der blinde Laerm auf einmal Augen kriegen.—Nun sagen Sie mir beide, ist der Anschlag nicht gut?
Theophan (beiseite). Wo ich nicht gehe, so wird sie noch machen, dass ich mich werde erklaeren muessen.—Der Anschlag ist so schlimm nicht; aber—
Lisette . Sie sollen sich ja nur stellen.—
Theophan . Das Stellen eben ist es, was mir dabei nicht gefaellt.
Achter Auftritt
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Der Freigeist
Lisette . Und Sie, Mamsell?
Henriette . Ich bin auch keine Liebhaberin vom Stellen.
Lisette . Besorgen Sie beide etwa, dass Sie es zu natuerlich machen moechten?—Was stehen Sie so auf dem Sprunge, Herr Theophan? Was stehen Sie so in Gedanken, Mamsell?
Henriette . Oh! geh; es waere in meinem Leben das erstemal.
Theophan . Ich muss mich auf einige Augenblicke beurlauben, schoenste Henriette.—
Lisette . Es ist nicht noetig. Sie sollen mir wahrhaftig nicht nachsagen, dass ich Sie weggeplaudert habe.
Kommen Sie, Mamsell!—
Henriette . Es ist auch wahr,
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