Der Fremde aus dem Meer
zieht, dass ein Hai sie zu Mittag verspeist hat.« Dave zuckte innerlich zusammen. Er mochte diese Vorstellung ganz und gar nicht. Eine verdammt üble Art zu sterben.
»Du musst auch bedenken, dass unsere Quelle nicht gerade die verlässlichste ist«, erinnerte er ihn. »Das Ganze ist ein wenig heikel.« Seinem Tonfall war zu entnehmen, dass er die Geschichte nicht glaubte.
»Es sind zwei Quellen. Der Fähnrich zur See von der Nassau Queen hat gesehen, wie der Hai sie angegriffen hat. Als er mit dem Captain zurückkam, war sie bereits unter Wasser verschwunden. Und Tess Renfrew ist auch nicht auf den Bahamas oder sonst irgendwo aufgetaucht. Und weder die US-Küstenwache vor den Key-Inseln noch die Bahama-Seenotrettungsgesellschaft hat irgendwelche Überreste von ihr gefunden.« Dave machte eine Pause, nahm einen Bissen und kaute, bevor er fortfuhr. »Der Richter wird sie gesetzlich für tot erklären, Pete. Und zwar, sobald die Ermittler der Kreuzfahrtgesellschaft die Befragung der Passagiere abgeschlossen haben. Wir haben überhaupt keinen Grund, all unsere Kraft in diese Sache zu investieren. Keine überlebenden Verwandten. Kein riesiges Vermögen zu vererben. Kein Motiv«, hob er hervor. »Keine Verbindung. Ein Selbstmord.«
»Quatsch! Eine Frau erholt sich auf einem Luxusdampfer und beschließt, sich umzubringen.« Mathers legte seine Hände an den Fingerspitzen zusammen und starrte mit leerem Blick zum Fenster hinaus. Dann atmete er tief ein. Staubkörnchen markierten die Bahn des Sonnenlichts, das sich quer über den Schreibtisch ergoss. »Was veranlasste sie dazu, unter Hamiltons Namen zu reisen, deren Kreditkarten zu benutzen und diesen teuren Jaguar auf dem Pier zurückzulassen, mit den Schlüsseln im Zündschloss?«
»Der am nächsten Tag in ihre Garage zurückgebracht wurde«, rief David ihm ins Gedächtnis zurück. Dann seufzte er. »Okay. Sagen wir, es war kein Selbstmord. Es gibt keine Leiche, keine Verdächtigen, kein geheimnisvolles Drogengeld, um es interessant zu machen. Und keine Rechtsprechung. Renfrew verschwand einfach von allen karibischen Küsten. Das ist der Herrschaftsbereich der Bahamas. Und du kennst ja ihr Arbeitstempo. Langsam und noch langsamer.« Mathers entschlossener Gesichtsausdruck ließ ihn deutlicher werden. »Hamilton ist eine Einsiedlerin. Jeder weiß das. Vielleicht wollte sie nur die Presse loswerden, und ihre Freundin half ihr dabei. Das ist keine große Sache. Sie sehen sich ganz bestimmt nicht so ähnlich, dass sie irgendjemanden hätten täuschen können. Renfrew hat niemals behauptet, Penelope
Hamilton zu sein , und die Kreditkartenrechnungen zeigen, dass sie nur wichtige Sachen gekauft und nicht riesige Schulden gemacht hat. Außerdem hatte sie Hamiltons Erlaubnis.«
»Das musst du mir nicht erzählen. Ich lese die Berichte auch.«
»Du gräbst in einem leeren Grab nach der Leiche, Pete.« Es entstand eine lange Pause, bevor Dave sagte: »Die Leute tun eine ganze Menge komischer Sachen, um in die Nähe dieser berühmten Schauspielerin zu kommen.«
Mathers hob eine Augenbraue. »Du meinst, diese Leute drohen, sie aufzuschlitzen wie eine Melone und erschießen ihren Liebhaber in aller Öffentlichkeit?«
Ratlos zuckte Dave mit den Schultern.
»Renfrew ist auch nicht gesprungen. Zumindest nicht aus freien Stücken.«
Mit der Tasse auf halbem Wege zu seinem Mund hielt Dave inne. »Glaubst du, dass jemand sie gestoßen hat?«
Lächelnd nickte Mathers. Er kam der Sache schon näher. »Das würde erklären, warum einer von Phalon Rothmeres Männern an Bord war, nah genug, um sie springen zu sehen. Und doch hat er niemanden zu Hilfe gerufen, bis sie verschwunden war. Da stimmt etwas nicht.«
Dave pfiff leise vor sich hin. Sein Stuhl knarrte, als er sich zurücklehnte. »Das ist ja eine tolle Beschuldigung.« Seine Stimme war nur noch ein kaum vernehmliches Flüstern, und sein Blick schoss durch die Glastrennwand auf der Suche nach möglichen Lauschern. Plötzlich beugte er sich vor und stützte beide Arme auf den Tisch. »Dafür beschaffst du dir besser Beweise, die so unerschütterlich sind wie die Zehn Gebote, bevor du auch nur das Geringste darüber verlauten lässt.«
Mathers wusste, dass es ihn seinen Job kosten konnte, wenn er seinen Mund aufmachte. »Wenn du eine bessere Theorie hast, Kumpel ... ich höre.« »Sein Bursche ist ja noch nicht aus dem Dreck raus.« David grinste. »Willst du dir meinen Gummiknüppel ausleihen, um die Theorie zu
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