Der Fremde aus dem Meer
Mal hilft Phalon Rothmere ihr nicht. Warum, weiß ich nicht. Er zuckte mit den Schultern. »Früher hat er es immer getan. Ich weiß nicht, was sie gemacht hat.«
»Was sagen Sie zu den Untaten und Verbrechen, die sie früher begangen hat?«
Noal hatte sich an Ramseys Redeweise gewöhnt. »Genau genommen sind es keine Verbrechen. Na ja, während eines Saufgelages hat sie seine Jacht in den Landungssteg gerammt, ihr Geliebter wurde wegen Insiderhandel an der Börse verhaftet...«
Ramsey nickte, obwohl er nicht wusste, worum, zum Teufel, es sich dabei handelte. »Weil er so viel Geld hatte, tauchte die Sache nicht in den Akten auf.« Noal stützte die Unterarme auf die Knie. »Das hat aber alles keinen Einfluss auf ihre Lebensweise gehabt, Captain O’Keefe, jedenfalls bis jetzt noch nicht. Fast jeden Abend ist sie mit einer Clique bei Derringers !
»Haben Sie das Mädchen schon einmal getroffen?«
Noal sank in seinen Sessel zurück und lachte auf. »Nein, nein, für einen für mich ist sie ein bisschen zu reich.«
Trotz der merkwürdigen Bitterkeit, die er aus Noals Stimme heraushörte, lächelte Ramsey. Es musste ein ungeheurer Reichtum sein, denn Noal Walker beschäftigte eine ganze Mannschaft von Detektiven. Er hatte Quellen, auf die er, Ramsey, nie gekommen wäre. Zwei Tage lang hatte er versucht, selbst etwas herauszufinden, doch seine Unkenntnis der Fortschritte dieses Jahrhunderts und der Umstand, dass er keine Zeit hatte, sich Wissen darüber anzueignen, waren zu große Hindernisse. Das galt auch für sein Benehmen und seine Redeweise, die viel zu sehr auffielen. Beides konnte er nicht einfach verändern, und seine Reise durch die Zeit musste um jeden Preis geheim bleiben.
Mögliche Auswirkungen auf Penelope musste er in Kauf nehmen. Er brauchte Hilfe. Mit Hanks Unterstützung hatte er Noal gefunden. Sie hatten die gelben Seiten des Telefonbuchs durchgeblättert, jede Agentur angerufen und ganz nebenbei erwähnt, dass die Konkurrenz mehr fürs Geld bot. Bei jedem Gespräch kam die Rede auf die Agentur dieses Mannes. Seine Agentur war die beste in der Stadt; ihr guter Ruf ging darauf zurück, dass sie effektiv und von absoluter Diskretion war. Und sie brachte Ergebnisse.
»Haben Sie sonst nichts zu bieten für mein Geld, Mister Walker?«
Noal lächelte. Der Mann zahlte gut, gewährte einen Bonus für schnelle Arbeit und bezahlte pünktlich. In bar.
»Rothmeres Mann, Owen, sitzt immer noch im Gefängnis, weil er gegen die Bewährungsauflagen verstoßen hat, aber ich glaube, es ist zu seinem eigenen Schutz. Wenn er so dumm ist, wie ich annehme, wird er singen.«
Ramsey versteifte sich in seinem Sessel. »Wollen Sie damit sagen, dass es nicht klug ist, die Wahrheit zu sagen?«
»Wer sagt, dass es die Wahrheit ist?« Schulterzuckend breitete Noal die Arme aus. »Er sitzt im Gefängnis. Rothmere ist draußen. Ich möchte Sie warnen, Captain. Die Rothmeres sind eine angesehene Familie, und Phalon Rothmere ist sogar noch mächtiger als seine Vorfahren. Sloane macht ihm zwar Kummer, aber das bedeutet ihm nicht so viel wie eine schlechte Presse. Die Hauptsache für ihn ist, dass sein Name sauber bleibt.«
»Aber?«
Der Mann hat mehr Einblick, als gut für ihn ist, dachte Noal voll ehrlicher Bewunderung. »Ich habe keine Beweise, aber ich weiß, dass er Beziehungen hat. Ein einziger Anruf würde genügen, und dem Mann würde die Kehle durchgeschnitten.«
Ramsey schluckte, bitter enttäuscht. Diese Nachricht war ein harter Brocken.
Das Unternehmen begann gefährlich zu werden. Er musste mit Sloane sprechen, bezweifelte aber, dass sie die Erpressung zugeben würde. Doch das war gegen Penelope gerichtet, und die hatte Tess mit hineingezogen. Warum war sie so rachsüchtig und unversöhnlich? Darüber würde er nicht mit Walker sprechen, obwohl er ihm vertraute. Dass Penelope dazu schwieg, war ihre Sache. Er würde ihr Schweigen akzeptieren, so lange es ging.
Verschwendete er seine Zeit? War der Kampf zwischen Rothmere und Blackwell seit zweihundert Jahren zu Ende? Nein, dachte Ramsey.
Noal stand auf und ließ ein großes Päckchen auf den Tisch fallen. »Mein Mitarbeiter, der für die Nachrichtendienste zuständig ist, behauptet, das sei alles, was je über die Blackwells geschrieben wurde, seitdem es Aufzeichnungen in der Stadt gibt. Zeitungen, Geburtsurkunden, Todesurkunden, ihre Schiffsgeschäfte, sogar ein Polizeibericht.«
Ramseys Augenbrauen schossen in die Höhe.
»Lesen Sie die Sachen durch«,
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