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Der Fremde aus dem Meer

Titel: Der Fremde aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy J. Fetzer
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wandte sich jedoch nicht nach ihr um. Links von ihm lagen ihre Räume. Plötzlich fiel ihm die Seemannskiste ein. Die Erinnerung war so stark, als schmetterten Tritons Trompeten. Langsam kam Penny heran. Das angespannte Zucken seiner Schultern ließ sie vorsichtig sein.
    »Niemand da draußen...«, sie wies mit der Hand hinter sich, »... hat einen Grund, mich zu verletzen.« Damit deutete sie an, er habe einen.
    Er wirbelte so schnell herum, dass sie beinahe rückwärts die Treppe hinunterfiel. »Gott im Himmel, Weib«, sagte er mit rauer Stimme und packte sie bei den Schultern. »Ich bin nicht dein Feind!«
    »Aber du hast mich belogen!«, schrie sie, und ihre Gesichtszüge wurden hart.
    »Nein! Niemals habe ich eine Unwahrheit zu dir gesagt! Du willst das einfach nicht sehen!«
    Mein Gott, er hatte ja Recht, aber ... »Wer bist du? Was bist du?«
    Es war falsch, das zu sagen, und sein gequälter Gesichtsausdruck traf sie ins Herz. Langsam richtete er sich auf und ließ die Hände herunterhängen.
    »O Gott. Ich ... ich hab’s nicht so gemeint. Ich ...«
    »Was ich bin?«, unterbrach er sie wild. »Ich bin ein Mann. Und nach dem gestrigen Abend dürfte das wohl außer Zweifel stehen.« Er bedachte sie mit jenem arroganten Blick aus halb geschlossenen Augen, den sie hasste. »Es ist das Woher , das dir Schwierigkeiten bereitet.«
    Ihr Blick suchte seinen. »Ich will das einfach nicht glauben«, kam es in einem gebrochenen Flüstern.
    Sein Gesicht verfinsterte sich. Er griff sie am Handgelenk, zerrte sie in ihr Zimmer und zwang sie, auf die offene Seemannskiste zu schauen.
    »Sag mir noch einmal, dass du es nicht glauben kannst!«
    Penny starrte auf die hellgelbe Tasche, das Foto von Tess’ Eltern und auf Tess’ kleine, saubere Handschrift auf den Tagebüchern.
    Sie befeuchtete ihre Lippen. »Du hast sie gekannt, nicht wahr?«
    »Sie gekannt?«, höhnte er verbittert. »Ich bildete mir ein, sie zu lieben.«
    Scharf zog Penny den Atem ein und warf einen Blick in seine Richtung. Doch er war verschwunden.

27
    Mit schweren Schritten, die von dem dicken Teppich verschluckt wurden, durchmaß Ramsey das Arbeitszimmer, die Hand um eine Flasche mit zwanzig Jahre altem Whisky geklammert. Er blieb stehen und führte die Flasche an den Mund. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, während er trank und die goldfarbene Flüssigkeit weich und glatt seine Kehle hinunterrann. Der Alkohol war stärker, als er es gewohnt war. Bevor er es gewahrte, hatte er bereits mehr als ein Drittel der Flasche ausgetrunken. »Wie dem auch sei«, dachte er und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Heute Abend erwartete er keinen Besuch mehr. Er fuhr sich durch das offene Haar, ging schnell zum Schreibtisch hinüber und griff nach Danes Brief. Als er ihn überflog, packte ihn die Sehnsucht, sich mit seinem Freund zu unterhalten, und er schleuderte den Brief beiseite.
    Ram verfluchte Dane, weil er Tess zuerst gefunden hatte. Dann verfluchte er das scharfzüngige Weib. Denn was auch immer Tess geschrieben hatte, es zerstörte, was er gerade von Pennys Leben zu verstehen begonnen hatte.
    Schließlich verwünschte Ram den starrköpfigen Rotschopf mit dem Herzen aus Stein und der Leidenschaft von zehn Frauen.
    Er fühlte sich so schrecklich allein, als habe er seinen besten Freund verloren. Und er hielt sich schon seit Stunden in dem Arbeitszimmer auf, trotzig wie ein launisches Kind, verwirrt und ... gedemütigt. Zum Teufel noch mal! Er nahm einen großen Schluck aus der Flasche, bevor er seinen Gang durch das Zimmer wieder aufnahm. Warum hatte sie erst so lange gezögert und dann die Seemannkiste ohne ihn geöffnet? Und was hatte Tess in ihren Büchern über ihn geschrieben? Wahrscheinlich hat sie sich über seine nutzlos verbrachte Vergangenheit ausgelassen, überlegte er grollend. Er stellte sich vor, was Penelope nun von ihm halten würde. Offenbar überhaupt nichts, wenn sie ihn aufforderte zu gehen und aus ihrem Leben zu verschwinden. Und warum, um Himmels willen, war sie so besorgt über die Spekulationen eines Journalisten? Sie war doch berühmt. Musste sie nicht damit rechnen? Hatte Mathers nicht gesagt, dass die Leute auf jede Seite ihres Lebens neugierig waren?
    Er ließ sich in einen Sessel fallen, unschlüssig darüber, was er von ihr halten sollte. War sie nur launisch wie eine Frauensperson aus der Taverne? Oder wollte sie nicht - nachdem sie einmal entdeckt hatte, wer und was er war -, dass ein so absonderlicher Mensch wie er

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