Der Fremde aus dem Meer
Leicht hin und her schwankend, verneigte er sich und ging dann zu seinem Zimmer. Er hielt den Türgriff wie eine Rettungsleine fest umklammert, die Stirn an das Holz gepresst.
»Alkohol aus dem zwanzigsten Jahrhundert ist wohl zu stark für dich?«
Er bemerkte ihren spitzen Ton und warf ihr einen Blick aus halb geschlossenen Lidern zu. »Sorgt Euch nicht um einen einfachen Mieter, Mamsell. Das ist nichts, was nicht durch ein ordentliches Übergeben kuriert werden könnte.«
Ram schob sich ins Zimmer, und als er die Tür hinter sich schloss, wurde Penny klar, dass sie ihn durch ihren Jähzorn und ihr unentschlossenes Handeln verloren hatte.
Mit der Steinschlosspistole schussbereit in der Hand, war Ramsey im Nu aus dem Bett und an der Tür, noch bevor er merkte, dass er nackt war. Rasch griff er nach dem Betttuch und wickelte es sich um die Taille. Mit einem Schlag riss er die Tür auf und zielte auf das Ding aus Metall, das mitten in der Eingangshalle stand und einen ohrenbetäubenden Lärm machte. Es war fast so laut wie das Brummen in seinen eigenen Ohren. Er blinzelte, während er mit verschwommenem Blick den geformten Klotz anvisierte, aus dessen Rückgrat eine Stange hervorstach und dessen Lungen sich aufplusterten, als hielte ein zorniges Kind die Luft an. Heiliger Bimbam, das Ding war so schrecklich laut, dass man die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht die Nerven zu verlieren. Er stieß das wilde Tier mit dem Lauf an und betete, dass es aufhörte und er seinen Rausch in aller Stille ausschlafen konnte. Aber der Stoß brachte es lediglich aus dem Gleichgewicht und ließ das Geheul noch stärker werden. Da riss ihm der Geduldsfäden.
Er hob die Pistole und schoss.
Es gab einen Knall und eine graue Rauchwolke. Das Geheul verstummte, und als sich die rauchgeschwängerte Luft verzogen hatte, sah Ramsey Meggie auf der Treppe stehen. Ihr Haar und ihr Gesicht waren mit einem feinen, gräulich schimmernden Staub überzogen. Sie sah zuerst auf ihn, dann auf die Pistole und schließlich auf das wimmernde Ding. Die Hände in die Hüften gestemmt, warf sie ihm einen verächtlichen Blick zu.
»Na«, sagte sie schnippisch. »Sind wir heute Morgen ein bisschen muffelig?« Sie marschierte hinüber zur Wand und zog die Staubsaugerschnur aus der Steckdose. Das Wimmern war zu Ende. Ramsey zuckte mit den Achseln. Mit einem verlegenen, schuldbewussten Blick ging er zurück in sein Zimmer, wobei er das herunterhängende Betttuch über seinen nackten Hintern zog.
Leises Gelächter ließ ihn stehen bleiben. Langsam drehte er sich um und sah Penelope in ihrer Tür stehen. Auf ihren wunderschönen Lippen lag ein sadistisches, beinahe triumphierendes, höhnisches Lächeln. Im Zeitlupentempo ließ er seinen Blick über sie wandern, wobei er sie so ausdruckslos wie möglich ansah. Dann drehte er sich um, betrat sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Mit wild pochendem Herzen lehnte er sich gegen den Türrahmen. Das hast du dir selbst zuzuschreiben! In Selbstmitleid zu schwelgen und seinen Kummer in einer Flasche zu ertränken, änderte nichts an einer Situation. Sein Blick fiel auf die geöffnete Lederkiste, von wo ihm auf blauem Samt der Diamant entgegenglitzerte. Er stieß sich von der Wand ab. Ramsey musste ein Versprechen einlösen. Hoffentlich würde ein Bad in der Regenkammer den Schmerz in seinem Kopf lindem, denn er brauchte seinen Verstand. Auf jeden Fall dafür, dass er sich von Penelope zurückhielt und nicht die Dummheit beging, ihr sein Herz auszuschütten.
Noal Walkers professionelle Haltung beeindruckte Ramsey stets aufs Neue.
»Sloane hat Juwelen verkauft, einige nummerierte Drucke und zwei ihrer vier Autos. Seit über zwei Wochen ist ihr Konto im Minus. Normalerweise hat sie dort fünfundzwanzig Riesen im
Monat. Papas Geld.« Der dunkelhaarige Mann las aus einer Liste vor. Er machte eine Pause und nahm einen Schluck von dem Bier, das Ramsey ihm hingestellt hatte.
»Was vermuten Sie?« Ramsey stützte die Füße auf dem niedrigen Tisch ab und lehnte sich entspannt in den Sessel zurück. Oh, dieses luxuriöse Jahrhundert, dachte er bewundernd und genoss das Sitzen in den sich perfekt anschmiegenden Polstern.
»Sie kommt nicht mehr an das Rothmere-Vermögen heran. Und um ihren Lebensstil aufrechtzuerhalten, muss sie ein bisschen Flitterkram verkaufen.«
Fragend ruckten Ramseys Augenbrauen in die Höhe, und Noal Walker fügte hinzu: »Sie hat sich in eine verdammt schwierige Lage gebracht, und dieses
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