Der Fremde aus dem Meer
werden musste. Doch sie musste etwas von Margarets Haar abschneiden, um ein Pflaster anbringen zu können.
Ich habe gesehen, wie Tess so etwas gemacht hat, dachte Ram und beobachtete, wie geschickt und schnell sie zu Werke ging. Obwohl sie konzentriert und routiniert zu sein schien, zitterten ihre Hände. Er erinnerte sich, wie Tess auf die gleiche Art Dane versorgt hatte. An jenem Morgen hatte er in dem gebrochenen Mast festgesteckt und eine Gehirnerschütterung erlitten, die ihn beinahe umgebracht hatte.
»Streng dich an, Hank. Du musst sie wachkriegen«, drängte Penny und legte ihr Eis auf die Handgelenke. Margaret regte sich und griff aufstöhnend nach ihrem Kopf.
»Öffne die Augen, Margaret!«, kommandierte Penny und hielt ihre Hände zurück.
»Oh, Meggie, mein Schatz«, sagte Hank leise, als ihre Lider zu flattern begannen und sich öffneten. Penny blickte zur Seite, und ihr Stirnrunzeln vertiefte sich. Tränen standen in seinen Augen. Pennys Blick wanderte zu Ramsey, dann zu Hank und Margaret.
»Was hast du nur angestellt, Frau!« Er beugte sich vor und küsste ihr auf die Stirn.
»Oh, sei still, du alter Esel«, murmelte sie undeutlich, »und lass mir etwas Luft.«
Margaret sah die Umstehenden an, und als ihr Blick auf Penny fiel, begannen sich ihre Augen mit Tränen zu füllen.
»Kannst du uns sagen, was passiert ist?«
Margarets Lippen zitterten, und sie sah Ramsey an. Er lehnte mit der Hüfte an dem Sofa und ergriff ihre Hand.
Sie berichtete ihnen alles, und als sie das dunkle Auto erwähnte, sah Penny Ramsey an und hielt seinen Blick einen kurzen Moment fest.
»Warum hast du uns nicht erzählt, dass sie Kontakt mit dir aufgenommen hatten?«
»Es war ja nur ein Zettel, ein gewöhnlicher Brief, der an mich und nicht an dich adressiert war«, sagte sie zu Penelope. »Ich habe mir nicht viel dabei gedacht, hielt es für anonymen Quatsch. Der Brief war ohne Briefmarke und ohne Absenderangabe. Ich hab ihn mir nicht mal angesehen. Bis gestern. Ich hätte nie gedacht... oh, es tut mir Leid. Du musst mir einfach glauben. Ich hätte ja etwas gesagt, aber ich hatte Angst um dich.«
»Es ist in Ordnung«, beruhigte Penny sie. »Hauptsache, du bist in Sicherheit.« Penny beugte sich nahe zu ihr hinab und küsste sie, heftig blinzelnd, auf die Wange. »Ohne dich würde ich ster-
ben«, flüsterte sie, und Margaret schenkte ihr ein zaghaftes Lächeln.
»Wo ist der Brief, Meggie?«, fragte Ram.
»In meinem Zimmer auf der Frisierkommode.« Margaret versuchte aufzustehen, aber Penny hielt sie zurück.
»Unten«, sagte sie zu Ramsey.
»Nein, ich hole ihn.« Hank gab Margaret einen kurzen, aber leidenschaftlichen Kuss. Pennys Blick folgte ihm, bis er verschwunden war. Da ging ihr auf, dass die beiden sich liebten. Sie war nicht so blind gewesen, dass sie nicht über die Jahre hin gemerkt hätte, dass es zwischen ihnen eine gewisse Zuneigung gab, aber sie waren ja so wahnsinnig und heftig ineinander verliebt wie junge Leute. Mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie, indem sie sich vom Publikum fern hielt und ihr kostbares Privatleben schützte, einen Vogel Strauß aus sich gemacht hatte, der den Kopf in den Sand steckte. Sie hatte so viel dabei verloren. Doch dass ihr die beiden Menschen, die sie am meisten schätzte, ihre Liebe nicht gestanden, sondern sie vor ihr verborgen hatten ... na ja, es schmerzte und gab ihr das Gefühl, eine egoistische, ausbeuterische Hexe zu sein.
Oh, Margaret, dachte sie verzweifelt. Und das nach allem, was sie miteinander durchgemacht hatten!
»Also hat er die Absicht, eine ehrenhafte Frau aus dir zu machen und dich zu heiraten, oder wollt ihr einfach in Sünde weiterleben?«
»Ach, sieh mal an. Wer spricht denn da von Sünde?«, brachte Margaret hervor, und ihr Blick ging zu Ramsey, den sie bedeutungsvoll ansah.
Ramsey versuchte, beleidigt auszusehen. »Meggie, du bist ja ein schamloses und liederliches Weibsbild.«
»Ja, ja, aber eine verdammt gute Köchin bin ich auch«, sagte sie. Ram kicherte vor sich hin und drückte ihre Hand. Dann nickte er Noal zu, der diskret in der Nähe des Fensters stand. Die beiden Männer gingen in die Eingangshalle.
»Ich fürchte, ich habe etwas übereilt gehandelt, als ich Eure Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen wollte.«
»Kein Problem. Aber wir müssen diesen Brief haben. Wenn wir ihn zum Absender zurückverfolgen können, haben wir zumindest so etwas wie ein Beweismittel.«
Ram schüttelte den Kopf. Eine Geste, die er
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