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Der Fremde aus dem Meer

Titel: Der Fremde aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy J. Fetzer
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einem bösen Buben in die Enge getrieben worden ist.
    »Ein Besitz, den man hat, aber nie genießt.« Verächtlich drehte er ihr den Rücken zu, während er die Gabel gegen eine Schaufel austauschte und damit begann, einen Eimer mit Pferdemist zu füllen.
    »In Anbetracht der Tatsache, dass ich nicht reite, ist das wohl auch ganz gleichgültig.«
    Er warf ihr einen listigen Blick zu, den sie nicht richtig deuten konnte. Dann warf er eine weitere scharfriechende Schaufel voll in den Eimer, hob ihn hoch und ging ans Ende der Scheune.
    Jeder Zentimeter an ihm war scharf Umrissen und trat deutlich hervor. Seine Rückenmuskeln kräuselten sich in kleinen Wellen und spannten sich an, als er den Pferdemist in die Wanne eines Lastwagens kippte, der dort geparkt war. Ihre Finger pressten sich zu Fäusten zusammen. Die bleichen Narben am Ende seines Rückgrats glänzten auf und fesselten ihre Aufmerksamkeit für einen Augenblick. Peitschennarben. Ein Sklave. Es war schwer, sich vorzustellen, wie sich ein so stolzer Mann jemandem unterwarf. Tief in ihrem Innersten erlitt sie noch einmal für ihn diese Qualen und alles, was er sonst hatte erleiden müssen.
    »Warum tust du das? Die Arbeit hätte warten können.«
    Er beugte sich über das Becken, um Hände und Arme zu waschen, wobei die Seife aufschäumte. »Ich brauchte die Berührung mit meiner Zeit«, sagte er und seifte sich Gesicht und Hals ein. Dann überraschte er sie dadurch, dass er seinen Kopf unter den Strahl des Wasserhahns hielt. Er wusch sich, wobei er Wasser über seinen Brustkorb laufen ließ. Dann richtete er sich auf, warf den Kopf in den Nacken und schüttelte sich wie ein kleiner Hund, ehe er sich das Haar aus den Augen schob und sie ansah.
    »Du vermisst es, nicht wahr?« Ihre Augen folgten dem Weg des Wassers, das über münzenflache Brustwarzen den Brustkorb hinabrann und seine Hosen nässte.
    Langsam schüttelte er den Kopf. Die Bewegung ihres Blickes über seinen Körper hinterließ eine deutliche Wirkung. »Ich finde, dieses Jahrhundert hat einem bescheidenen Seemann eine ganze Menge zu bieten.« Er erwiderte ihren Blick, was sie berauschte und bezauberte.
    Da ist nichts Bescheidenes an ihm, dachte sie. Doch sie wusste, dass er kein Luxusleben geführt hatte. Die meiste Zeit hatte er für die Revolution gekämpft. Er war versklavt worden und hatte an Bord eines überfüllten Schiffs bei schlechter Nahrung Knochenarbeit verrichtet.
    Aber das alles vertiefte nur noch ihre Liebe zu ihm.
    Penny blinzelte und wich seinem besitzergreifenden Blick aus. Ich liebe ihn wirklich, dachte sie, und mit einem Lächeln in den Mundwinkeln begegnete sie seinem Blick. Ich habe ihn schon immer geliebt. So wie er war: Altertümlich bis in die Spitzen seiner Schaftstiefel und mit einer Hippie-Frisur. Sie liebte ihn.
    Und sie würde ihn verlieren, wenn sie nicht die Diamanten aufgab, die in diesem Jahrhundert nicht mehr existierten. Sie wusste, dass sie alles tun würde, um zu verhindern, dass dies passierte. Sie wollte ihn für immer.
    Ramsey hielt mitten im Schritt inne. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht ergriff ihn im Innersten. Ein heller Keil Sonnenlicht fiel in das kühle Dunkel, und sein plötzliches Verlangen, sie fest und beschützend an sich zu drücken, übermannte ihn beinahe. Er wollte sie beschützen vor dem, was sie verletzte und kränkte. Er zog ihr Pferd aus dem Stall und legte ihm das Zaumzeug an.
    »Was ... was tust du denn da?«
    »Das Ross bewegen. Zur Übung«, sagte er geduldig.
    »Es ist nicht deine Aufgabe, die Stute zu reiten. Crane ist dafür zuständig, sie auf die Rennbahn zu bringen.«
    Er sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. »Auch wenn man dafür bereits eine ausgezeichnete Strecke Strand hat?«
    »Ramsey.« Sie sprach in genau demselben geduldigen Ton wie er kurz vorher. »Dieses Pferd ist einfach zu viel wert, um zum Vergnügen da zu sein, und ist es denn nicht auch gefährlich, das Grundstück zu verlassen?«
    Er duckte sich unter dem Hals des Pferdes durch und trat in eine Box. Dann kam er zurück, in der Hand seine Pistole, das Pulverhorn und ein kleines Säckchen, das von einem Lederriemen herabhing. Er führte den Riemen über den Kopf und schob die Steinschlosspistole in den Gürtel.
    Ihr Blick ging hinunter zum Lauf und folgte der Richtung, die er wies.
    »Wie ich sehe, lebst du gefährlich.« Sie holte tief Luft und hob ihren Blick. »Bei dieser wenig sicheren Feuerkraft.«
    »Meinst du mich oder die Waffe?« Er lächelte lüstern.

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