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Der Fremde aus dem Meer

Titel: Der Fremde aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy J. Fetzer
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näherte sich vorsichtig Ramseys Arm.
    »Haben Sie schon einmal Penicillin bekommen, Mister O’Keefe?« Er sprach durch die Nase, und Ram tat es Leid, dass er auf so ein junges Gesicht eingeschlagen hatte.
    »Nein.« Ramsey beobachtete, wie er die Stelle mit einem Stück scharf riechendem Stoff abtupfte. Seine Haut wurde kühl und blieb es auch noch, als die Nadel eindrang. Es brannte umso mehr, je tiefer der Matrose den Kolben niederdrückte.
    »Haben Sie vor ...« Graves schluckte, »mich wieder zu verprügeln?«
    »Gibst du mir Handhabe dazu?«
    »Nein, Sir.« Graves zog die Spritze heraus, nahm die Unterlage weg und schnallte die Riemen ab. Seine Augen weiteten sich, als er die verbogenen Stangen sah.
    Ramsey rieb sich die Handgelenke und schob den Tisch beiseite. Als der Matrose zusammenzuckte, grinste er. »Wo ist meine Habe?«
    Graves deutete mit der Hand auf den ordentlich aufgeschichteten Kleiderstapel und das große, flache gelbe Päckchen. Ram ergriff den Arm des Burschen und besah sich die um das Handgelenk gebundene Uhr. Sie war unglaublich klein und hatte keine Zahlen. Er hielt das Uhrglas ans Ohr und - nein, er kam zu dem Schluss, dass sie nicht läuten würde.
    »Sir!« Graves zog den Arm zurück und hob fragend die Augenbrauen. Doch Ramsey übersah den Blick geflissentlich, da er merkte, dass er sich in Gegenwart des Feindes eine Blöße gegeben hatte.
    »Wo bin ich?«, fragte Ramsey und zog sich das Hemd über die Schultern.
    »An Bord eines bahamaischen Rettungsschiffes, Sir.«
    Mit hochgezogenen Brauen sah Ramsey den jungen Mann an, während er einen Hemdzipfel in die Hose stopfte. »Ein Rettungsschiff? Lediglich zur Rettung?«
    »Ja, Sir.«
    Genial! Ramsey war beeindruckt. »Auf dem Weg wohin?«
    »Wir müssten jeden Augenblick auf Crooked Island anlegen, Sir.«
    Ram hatte überhaupt keine Erinnerung an diese Insel, aber das tat jetzt nichts zur Sache. Mit Sicherheit war er durch die Zeit gereist, wohin und in welches Jahrhundert müsste er selbst herausfinden - ohne Verdacht zu erregen, sonst würde er zweifellos in einem Tollhaus landen. Doch als er die Jacke anzog, musste er zugeben, dass die bequeme Einrichtung, die überzeugende Einfachheit der medizinischen Geräte, die wasserdichten Wände und die Armbanduhr des jungen Mannes dafür sprachen, dass er in der Zukunft gelandet war. Aber wie weit in der Zukunft?
    Sein höllisch schmerzender Rücken erinnerte ihn an die Folgen seiner Unbedachtsamkeit, auch wenn die Wucht des Aufpralls auf die Meeresoberfläche ein geringer Preis für einen Neuanfang war. Mit einer Kupferzange brach er das Päckchen auf und erstarrte. Es überkam ihn das Gefühl, als ob sich in diesem Augenblick etwas wiederholte. Er drehte das Päckchen in den Händen hin und her. Es war genau so eins, wie Tess es dereinst besessen hatte, mit farbigen Diamanten gefüllt, nur größer. Wieder wanderte sein Blick über seine Umgebung und blieb an dem mit Glas versehenen Bullauge hängen. Bin ich in deinem Jahrhundert, Mädchen?, fragte er sich und versuchte, seine Erregung zu dämpfen. Er kippte den Inhalt des Päckchens auf den Untersuchungstisch. Graves beugte sich vor, doch ein Blick von Ram ließ ihn zurückweichen.
    Ram hielt seinen Zeitmesser ans Ohr und schüttelte ihn. Eingedrungenes Wasser hatte ihn zerstört. Er steckte ihn zurück in die Hosentasche, schob die Messer in die Scheide und ersparte sich die Mühe, seine Pistole zu laden; das Pulver war feucht, die Kugel eingeklemmt, und was sich noch im Horn und im Pulverbeutel befand, war ebenfalls feucht. Er schob die Pistole in den Gürtel und tastete dann das Jackenfutter ab, überrascht, die schweren Münzen noch spüren zu können. Dann legte er sich die Halsketten um.
    »Woher haben Sie die?«, fragte Graves und deutete auf die matten Goldketten, als Ram sie unter seinem Hemd verschwinden ließ.
    »Der Lohn für ein gutes Blatt im Spiel, du Schnösel.« Ramsey sagte nichts von dem spanischen Schweinehund, der zweimal versucht hatte, sie wieder in seinen Besitz zu bekommen und schließlich Rams schärfste Klinge zu spüren bekommen hatte. Ramsey ließ sich auf einen Hocker fallen und zog seine Stiefel an. Ein starker Druck lag auf seiner Brust, und das Atemholen fiel ihm schwer.
    »Nun, ich sehe, dass Sie jetzt etwas ruhiger sind«, ertönte eine Frauenstimme.
    Ram blickte auf und sprang hoch, ein breites Grinsen im Gesicht. Er war über die Maßen erfreut, dass die Frau noch an Bord war. Sie lehnte sich an den

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