Der Fremde aus dem Meer
legte er den Arm um ihre Taille. Er drückte einen zärtlich-lieben Kuss auf ihre überraschten Lippen.
Ich bin in Tess’ Jahrhundert gereist, wurde ihm mit ungeheurer Freude bewusst. Und in seinen Armen lag der Mensch, den Tess außer Dane in ihrem Leben am meisten geliebt hatte.
18
Penny ließ sich nicht von diesem strahlenden Lächeln täuschen, und ihr Stirnrunzeln zeigte das auch. »Was ist gerade passiert? Was ist mit dir los?«
»Ich habe mein Glück erkannt, Mädchen.«
Anthony lachte leise vor sich hin. Doch die Traurigkeit, die sie in Rams Augen gelesen hatte, war nicht zu leugnen gewesen, und sie versuchte, sich die letzten Augenblicke ihres Gesprächs in Erinnerung zu rufen, um den Grund dafür zu finden.
Aber diese Möglichkeit gab er ihr nicht, sondern sagte über ihren Kopf hinweg zu Bailey: »Blackwell?« Er drückte Penny in ihren Sessel. »Sind das die Blackwells aus Coral Key?« Ram dachte daran, mit dem wenigen Wissen, das er besaß, zu spielen, um aus der Situation herauszukommen, denn er konnte nicht so schnell eine einleuchtende Erklärung für seinen Schock finden.
Penny sah ihn immer noch stirnrunzelnd an, als er sich neben sie setzte und wie nebenbei ihre Hand umschloss. Sie hielt diese Geste für anmaßend und starrte auf die ineinander gelegten Hände. Es fühlte sich für sie natürlich an, sah aber überraschend fremd aus. Niemals hatte sie jemandem so oft erlaubt, sie zu berühren, doch gerade als sie zu dem Ergebnis kam, dass er zu vieles für selbstverständlich hielt, strömte die Wärme aus seiner Handfläche in ihre Haut.
Nichts fühlt sich so tröstlich an, dachte sie, und verflocht ihre Finger mit seinen. Und verwünschte ihre Verletzbarkeit.
»Die Blackwells gründeten diese Stadt vor ein paar hundert Jah-
ren, das stimmt doch, oder?«, sagte Anthony in ihre Gedanken hinein. »Ich habe gehört, dass alle verstorben sein sollen.«
Ramsey zuckte innerlich zusammen.
»Offensichtlich nicht«, sagte Penny. »Wie sonst würde all dies ...«, sie deutete auf die Papiere und den Schlüssel in ihrer Hand »... hier landen, wenn die Prämie nicht gezahlt worden wäre?« Sie sank noch tiefer in ihren Sessel, das schwarze Schlüsselband um den Zeigefinger gewickelt. »Ich kenne diese Leute nicht.« Wieder deutete sie auf die Dokumente. »Warum sollten sie mir eine Kiste hinterlassen?«
Bailey begegnete ihrem verwirrten Blick. Er war selbst hilflos, denn er hatte keinen Hinweis darauf, wie oder warum die Blackwells einer Fremden etwas vermachen sollten, die noch nicht geboren war, als die Schenkung veranlasst wurde. Ungeachtet dessen konnte er auch nicht offenbaren, dass der Gönner sich um die Provision aus einem Fonds gekümmert hatte, der gemäß Einzahlungen aus dem achtzehnten Jahrhundert treuhänderisch verwaltet wurde und der zugleich das Aussterben der Familie Blackwell in Rechnung stellte. Was jetzt offenbar eingetreten war.
»Es ist mir nicht erlaubt, über diese Angelegenheit zu sprechen. Das ist eine ausdrückliche Anweisung, Sie verstehen.« Damit unterband er jede weitere Frage und wandte sich an Ramsey. »Ihr voller Name, Sir?«
»Ramsey Malachai Gamaliel O’Keefe.«
Baileys farblose Augen leuchteten auf, und er blickte auf das alte Hauptbuch. »Und wo sind Sie geboren?«
»Lexington, Massachusetts.«
Sebastian Bailey erhob sich und zog an seiner, Weste. »Ich muss jetzt alle, außer Mister O’Keefe, bitten, das Zimmer zu verlassen.«
»Mist«, murmelte Anthony und verließ den Raum wie ein Kind, das gerade bestraft worden war.
Obwohl Penelope sofort aus ihrem Sessel aufgestanden war, erhob Ramsey keinen Einspruch. Als er vor ihr stand, bemerkte er, dass sie ein bisschen gekränkt aussah. Aber ihr zu gestatten, dabei zu sein, würde sie nur noch mehr verwirren. Was immer Bailey in Händen hatte, es war mindestens zweihundert Jahre alt. Ramsey war überzeugt, dass er diese Transaktion vor ihr verheimlichen musste, zumindest, bis sie die Kiste von Tess geöffnet hatte.
»Ich habe meine Anweisungen. Bitte, Miss Hamilton.« Diese letzte Bemerkung war geschäftsmäßig knapp.
Penny zögerte immer noch. Sie hielt den Umschlag und den Schlüssel fest umklammert, während sie einen verstohlenen Blick auf die mit Wachs versiegelten Umschläge auf dem Schreibtisch warf. Sie waren alt, wie ihre auch, doch sie konnte keine weitere Ähnlichkeit entdecken, da sie mit der Vorderseite nach unten lagen.
Suchend begegnete sie Ramseys Blick. Wer war dieser Mann? Er
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