Der Fremde aus dem Meer
Fingerspitzen das abgewetzte Leder, dann fuhr er über das dünne Goldtäfelchen, in das die Initialen R.M.G.O. eingraviert waren. Das waren seine Initialen. Seine.
Der Agent von Lloyds suchte bereits seine Unterlagen zusammen. »Wenn ich fragen darf, Mister O’Keefe ...« Bailey wühlte in den Papieren und stopfte sie in die Aktentasche. Dann ließ er das Schloss zuschnappen und sah auf ... »Wer sind Sie wirklich?«
Ram zog die Augenbrauen zusammen. »So wie ich es verstanden habe, sollte doch gerade diese Befragung dazu dienen, das herauszufinden.«
»Sie hat nur überprüft, dass Sie derjenige sind, der zu sein Sie behaupten, aber nicht, wie Sie diese Antworten wissen konnten. Eigentlich hätte überhaupt niemand die Antworten wissen können.« Kein Lebender, fügte Bailey im Stillen hinzu und spürte eine Gänsehaut im Nacken.
Ramsey atmete tief ein und sah dem Mann in die Augen. Er konnte nur mit der Wahrheit dienen, und mit ungerührter Stimme sagte er: »Ich bin der Kapitän der Tritons Will, einer amerikanischen Kaperfregatte, im Besitz von Dane Blackwell und unter dem Kommando von Präsident George Washington.«
Baileys Augen weiteten sich, während Ramsey redete. »Wa... was sagen Sie da?«
»Ich bin ein Soldat der Revolutionären Nordamerikanischen
Marine, Sir, der von hier...«, er klopfte auf die in Leder gebundene Kiste, »bis hierher gereist ist.« Mit einer Bewegung, die das Haus und das Jahrhundert umschloss, deutete er auf den Raum.
Bailey starrte ihn noch einen Augenblick länger an, sein kritischer Blick verengte sich um eine Spur. »Ich ziehe mich in Ruhe zurück«, murmelte er trocken und ging dann langsam zur Tür. Der Mann würde keine vernünftige Erklärung bieten, dachte er. Wenn es denn eine gab!
Die Hand zum Klopfen an die Tür gehoben, erstarrte Penny. Sie wünschte sich, das ganze Gespräch gehört zu haben. Ein Marinesoldat. Was für ein Quatsch! Doch noch als sie entschlossen war zu glauben, dass Ramsey den Agenten narrte, empfand sie einen quälenden Zweifel. Er klang so überzeugt und selbstsicher. Marinesoldaten waren doch Glatzköpfe, die sich so verhielten wie Tess’ Vater und Hank. Und wo war dieser nicht erwähnte Ort, von dem aus er aufgebrochen war? Sie ließ ihre Hand sinken und ging den Gang hinunter, als jemand die Türklinke herunterdrückte.
Ram ließ die Schachtel und das Päckchen unberührt liegen und begleitete den Agenten zur Eingangstür, wobei er sich nur allzu deutlich bewusst war, dass Penelope nirgendwo zu sehen war.
»Grüßen Sie Miss Hamilton von mir«, sagte Bailey, »und entschuldigen Sie sich bitte in meinem Namen dafür, dass ich ihre Privatsphäre verletzt habe.«
Ram nickte weise und hoffte, ihr die Gemütsruhe geben zu können, den sie brauchte.
»Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Captain O’Keefe.«
»Ich danke Euch, Mister Bailey.« Ram verbeugte sich, und der Agent lächelte, als er ihn sich in Gehrock und Kniehosen vorstellte. Nach dem, was er gerade erlebt hatte, war er in der Stimmung, alles zu glauben.
Ramsey schloss die Tür hinter ihm. Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und strich sich mit der Hand über das Gesicht. Als er sich umdrehte, sah er Anthony, der ihn, ein halb aufgegessenes Sandwich in der Hand, beobachtete.
»Sie sind nicht bereit, auch nur eine einzige Frage zu beantworten, nicht wahr?«
»Nein, mein Freund. Ich fürchte, das kann ich nicht.«
Die beiden Männer starrten sich einen Augenblick an. Dann lächelte Anthony. »Gut, dann sollten wir diesen Scheck einlösen. Mir ist nämlich langweilig.« Anthony aß den Rest des Sandwichs auf und wischte sich die Fingerspitzen ab. »Ich fahre das Auto vor.«
Mit schnellen Schritten ging Ramsey zurück ins Arbeitszimmer und blieb im Flur stehen. Er sah Penelope zusammengekauert in dem Sessel hinter dem Schreibtisch, den Blick starr auf seine Besitztümer gerichtet.
Er runzelte die Stirn. »Es war unhöflich, den Mann nicht zur Tür zu begleiten.«
Sie hielt den Blick gesenkt. »Schimpf mich nicht, Ramsey. Ich bin kein Kind.« Ihre Stimme klang abgehackt, und als er näher kam, sah er, dass ihr Blick irgendwohin über die Schachtel und das Päckchen gerichtet war. Ihre Finger schüttelten immerzu den Schlüssel, verzweifelt und angespannt. Er hatte nagende Schuldgefühle, weil er ihr noch nicht helfen konnte, Antworten zu finden.
»Mister Bailey hat dir sein Beileid zu deinem Verlust ausgesprochen.« Sie zuckte zusammen und griff nach dem
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