Der Fremde aus dem Meer
nötig hatte. Und was würden die Zeitungen schreiben, wenn sie herausfanden, dass Ramsey mit Penelope zusammenlebte, obwohl Ramsey es ja nie erwähnte? Er hasste den Gedanken daran, wie sie diese kleine Freude schlecht machen würden, die diese Frau seit Jahren zum ersten Mal erlebte.
Plötzlich beugte sich Ramsey vor und starrte sichtlich angespannt nach vorn.
»Zügelt das Gefährt, Antony, wenn ich darum bitten darf.«
»Das Gefährt ... bitte was? Oh, ich soll anhalten. Natürlich.« Tony bremste langsam, und sie kamen vor einem Tor mit lanzettförmigen Eisenstäben zum Stehen.
»Verdammt noch mal!«, murmelte Ramsey mit dem Blick auf das Namensschild, das an dem Tor hing. Sein Blick wanderte zu dem prächtigen Anwesen hinter den Steinmauern, dann zurück auf das Namensschild. Er sank in den Sitz zurück und strich sich ratlos mit der Hand übers Gesicht.
»Haben Sie ein Problem?«, fragte Anthony. Ramsey sah aus, als sei er krank.
»Ist das nicht das Anwesen der Blackwells?«
Anthony blinzelte und beugte sich vor, um besser sehen zu können. »Ich glaube, das war es einmal«, sagte er und hielt an. »Vor ungefähr zwanzig Jahren hat es einen Skandal gegeben. Es ging um den Verkauf, wenn ich mich recht erinnere. Die Blackwells behaupteten, sie seien um ihren angestammten Besitz betrogen worden, obwohl nichts bewiesen werden konnte.«
Ramsey hob den Kopf. Sein Herz tat weh, als er auf das Haus starrte und die Erinnerungen auf ihn einstürzten. Es war Danes Haus. Ram war dort gewesen, er kannte fast jedes Zimmer. Er konnte das Schlafzimmer sehen, in dem er geschlafen hatte, wenn er zu Besuch gekommen war. Für ihn war dieses Haus eine Zuflucht gewesen, ein sicherer Hafen, wenn er sich einsam gefühlt hatte. Bis Phillip Rothmere die Fühler nach seinen Bewohnern ausgestreckt hatte. Jetzt sah es so aus, als ob seine grausamen Finger über zweihundert Jahre hinweg reichten. Denn an Stelle des stolzen Namens Blackwell stand dort in kunstvollen Schnörkeln der Name Rothwell.
19
Mein Gott, wie sie es hasste, die Kontrolle zu verlieren.
Sie rieb sich die Augen und schniefte. Dann spähte sie kurz um die Ecke des verlassenen Bootshauses, in der Hoffnung, dass niemand sie so sehen würde. Sie starrte auf ihre nackten Zehen und trat mit den Füßen Wasser, während die Wellen sachte an den Steg schwappten. Für wen hielten sich die Blackwells, wenn sie ein solches Spiel spielten und ihr Leben mit ihren Geheimnissen zerstörten? Wen hatten sie dazu gebracht, so zu schreiben wie Tess? Sogar die kleinen Vierecke, die sie als i-Punkte setzte, waren die gleichen. Wenn die Schrift der von Tess nicht so ähnlich gewesen wäre, hätte sie nicht viel Aufhebens um den Schlüssel gemacht, die Kiste geöffnet und den Inhalt an die Familie zurückgegeben. Aber von den Blackwells war niemand mehr am Leben. Eine Schande, dachte sie, während sie den Schlüssel zwischen den Handflächen hin und her bewegte, wobei ihr ein kalter Schauer über die Arme lief.
Und wohin war Ramsey so eilig gegangen? Er ist dir ausgewichen, dachte sie schuldbewusst. Sie war ihm nicht böse, dass er einfach gegangen war, nachdem sie so mit ihm umgesprungen war. Keine ihrer Qualen konnte sie ihm zur Last legen. Nun, einige doch. Und der Anblick der ledernen Schachtel mit seinen Initialen hatte sie immer mehr beunruhigt. Die Versuchung, einen Blick hineinzuwerfen, war groß gewesen, doch sie hatte das Arbeitszimmer verlassen, den Schlüssel abgezogen und so seine Privatsphäre respektiert. Aber sie konnte trotzdem nicht aufhören, sich zu fragen, wer ihm diese Sachen hinterlassen hatte und ob
seine Geschenke so alt waren wie ihre. Hatte ihm ein Vorfahre diese Sachen hinterlassen? Sie konnten unmöglich ihm gehören. Aber seine selbstsicheren und stolzen Worte, die er Bailey gegenüber geäußert hatte, gingen ihr nicht aus dem Sinn. Ein Soldat der Revolutionären Nordamerikanischen Marine. War er wahnsinnig? Fragen, auf die sie unbedingt eine Antwort brauchte, quälten sie unaufhörlich. Aber andererseits hatte sie auch Angst, die Wahrheit herauszufinden. Sie fürchtete insgeheim, dass Ramsey jemand anders war, als er vorgab. Ganz abgesehen davon, dachte sie mit einem Lächeln, dass er herrisch, anmaßend und ein bisschen wichtigtuerisch war.
»Penny?«
Erschrocken fuhr sie herum, während sie den Schlüssel in die Rocktasche schob.
»Du solltest dich nicht so lange in der Sonne aufhalten.« Margaret legte die Hand schützend über die Augen und
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