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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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wie einen völlig anderen Mann wirken zu lassen.
    Er fesselte sie trotz ihres flehentlichen Protestes so gnadenlos wie immer. Sie musste plötzlich daran denken, wie sie ein halbes Jahr nach der Hochzeit so schwer an Grippe erkrankt gewesen war. Mehr als zwei Wochen hatte sie im Bett gelegen, gefiebert und sich so elend gefühlt, dass sie dachte, sie müsste sterben. Marius war ständig um sie gewesen. Er hatte alle Vorlesungen geschwänzt, um sich ganz und gar um sie kümmern zu können. Er hatte ihr kalte Wickel um die Waden gemacht und regelmäßig das Fieber gemessen, er hatte ihr seine kühle Hand auf die Stirn gelegt, hatte ohne das geringste Murren immer wieder ihre durchgeschwitzte Bettwäsche gewechselt. Er hatte ihr Orangen ausgepresst und sie mit Fleischbrühe gefüttert, Löffel für Löffel und ganz langsam, weil sie eigentlich zu schwach war, selbst zu essen. Die ganze Zeit über hatte er sie voller Liebe und Sorge betrachtet und sich ständig Dinge einfallen lassen, mit denen er ihr die Krankheit erleichtern konnte.
    Manchmal hatte sie so gefiebert, dass sie sein Gesicht wie durch einen Schleier sah. In klareren Momenten hatte sie gedacht: Mit diesem Mann an meiner Seite kann mir nie etwas passieren. Niemals!
    Und nun schlang derselbe Mann eine Wäscheleine um ihre Arme und Beine und zerrte sie so grausam fest, dass sie aufschrie.
    »Du tust mir weh, Marius!«
    Er betrachtete sie. War da ein Anflug von Mitleid in seinem Blick? Wenn ja, so verschwand er doch gleich wieder.
    »Du bist nicht auf meiner Seite«, sagte er, »leider. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als so mit dir zu verfahren.«
    Dann hatte er das Zimmer verlassen. Sie hatte seine Schritte auf der Treppe nach oben gehört.

    Einige Stunden lang hatte sie nicht gewagt, etwas zu unternehmen. Am Ende machte er doch sein Versprechen wahr, kam nach unten und schloss die Läden. Aber schließlich brannte die Sonne, heizte das Zimmer zur Backofentemperatur auf, und nichts geschah. Sie konnte nur oben seine unermüdlichen Schritte hören.
    Sie rief nach ihm. Sie würde verglühen.
    Sie erreichte ihn nicht.
    Sie fluchte, weil sie wertvolle Stunden verloren hatte, und sie weinte, weil sie nicht mehr sicher war, ob sie das Ende des Tages erleben würde. Man konnte sterben an der Hitze. Man konnte sterben an Durst. Und dann dachte sie auch wieder an eine Thrombose und an einen Kreislaufkollaps. Sie war dicht davor, durchzudrehen.
    Ruhig, befahl sie sich, ganz ruhig. Du machst sonst alles nur schlimmer.
    Ihr rechtes Ohr war inzwischen vollständig taub. Das geschwollene Auge pochte.
    Ich muss hier weg. Der lässt mich verrecken!
    Sie begann wieder damit, ihre Muskeln anzuspannen, um die Wäscheleine zu dehnen. Es kostete sie viel mehr Kraft als beim ersten Mal, sie musste viel öfter zwischendurch eine Pause einlegen, weil die Erschöpfung sie lähmte. Ihre geschwollene Lippe spannte. Ihr Durst war mörderisch. Die Hitze trieb sie in die Verzweiflung. Aber sie durfte jetzt nicht mehr nach Marius rufen und ihn um Hilfe bitten. Im Gegenteil, von jetzt an musste sie hoffen, dass er sich nicht mehr blicken ließ.
    Ihre Gedanken irrten herum, in diesen langen, langen Stunden. Sie schufen absurde Pläne und verwarfen sie wieder. Wenn es ihr nicht gelang zu fliehen – wie sah dann das Ende aus? Würde Marius es dabei bewenden lassen, ihr und Rebecca endlose Vorträge über sein Leben zu halten, reichte
es ihm, all das, was ihn bedrückte, loszuwerden? Oder trieb ihn Rache? Was würde er am Schluss mit Rebecca tun? Und was mit ihr, Inga? Er sah sie als Komplizin. Es schien ihr nicht zu gelingen, ihm das auszureden.
    Und ich weiß nicht einmal, in welcher Sache ich eigentlich Komplizin bin! Es ist alles so verrückt.
    Immer wieder fiel ihr Maximilian ein. Eigentlich war er ihre einzige, letzte Hoffnung – und auch nur eine schwache Hoffnung. Ein Blinder hätte gesehen, dass er sich für Rebecca interessierte und dass sein Interesse über das eines fürsorglichen Freundes, der die Witwe eines von ihm geschätzten und bewunderten Mannes nicht im Stich lassen wollte, hinausging. Inga wusste nicht genau, was zwischen ihm und Rebecca vorgefallen war; Rebecca hatte sich nur auf äußerst vage Andeutungen eingelassen. Auf irgendeine Weise hatte sie ihn vertrieben, hatte ihn so verletzt, dass er Hals über Kopf abgereist war. In den letzten Tagen war sie ein wenig aufgetaut. Aber ganz zu Anfang … Inga erinnerte sich nur zu gut an ihr Verhalten. Abweisend,

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