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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ihn!

    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, »keine Ahnung, ob er je etwas mit Ihrem Verein oder mit einer ähnlichen Institution zu tun gehabt hat. Ich weiß es ganz einfach nicht!«
    Zu ihrem Entsetzen merkte sie plötzlich, dass sie dicht daran war, in Tränen auszubrechen.
    »Und vielleicht werde ich es auch nie wissen«, sagte sie mit schwankender Stimme, »die ganze Zeit über meine ich zu spüren, dass er noch lebt, aber Tatsache ist doch, dass das sehr unwahrscheinlich ist. Hätten sie ihn nicht längst finden müssen? Hätte er sich nicht längst melden müssen? Und wenn er tot ist …«
    Sie konnte nicht weitersprechen, wischte stattdessen mit beiden Fäusten über die Augen, um die Tränen zum Versiegen zu bringen. Sie fühlte, wie Rebecca ihr sehr sanft über den Arm strich.
    »Was wollten Sie sagen? Wenn er tot ist …? «
    Inga nahm die Hände von den Augen. Ihre Lider brannten, aber es war ihr gelungen, nicht zu weinen.
    »Wenn er tot ist, dann habe ich nicht nur meinen Mann verloren. Sondern ich stehe auch noch mit so vielen offenen Fragen da. Es ist dann so, als sei ein Faden meines Lebens einfach abgerissen und hänge nun ausgefranst und ohne Anschluss herum. Ich habe nichts gewusst und werde nie etwas wissen.« Sie sah Rebecca voller Trostlosigkeit an und gewahrte Mitgefühl und Anteilnahme in den Augen der anderen.
    »Ich verspreche Ihnen etwas«, sagte Rebecca. »Wenn es wirklich so kommt, dann helfe ich Ihnen, alles über Marius’ Vergangenheit herauszufinden. Kein Mensch steht in der Welt ohne die geringste Verbindung zu seiner Vergangenheit. Wir werden Spuren finden und ihnen folgen, und Sie werden die Puzzleteile zusammensetzen, bis ein Bild entsteht.«
    Inga nickte.

    Bis ein Bild entsteht …
    Sie schauderte bei dem Gedanken, dass es ein Bild sein könnte, von dem sie später wünschen würde, es nie gesehen zu haben.
    3
    Es dauerte zwanzig Minuten, bis Pit Becker klingelte. Karen hatte inzwischen drei Schnäpse getrunken und fühlte sich für das bevorstehende Abenteuer halbwegs gewappnet.
    »Hi«, sagte Pit, »wie geht’s?«
    Sie lächelte, angestrengt, wie ihr schien. »Es geht. Ich bin ziemlich nervös, wenn ich an die nächste Stunde denke.«
    »Ich auch«, gab Pit zu.
    Sie sahen einander an, beide in dem Bewusstsein, dass der Augenblick noch alles offen ließ, dass sie ohne Schwierigkeiten von ihrem Plan Abstand nehmen konnten.
    »Warum tun Sie das?«, fragte Karen.
    Er zögerte. »Ich weiß es nicht. Ich denke, so etwas gehört sich, oder?« Er trat von einem Fuß auf den anderen, fuhr sich mit den Fingern durch seine Stirnhaare und schien sich dann plötzlich einen Ruck zu geben.
    »Nein, Scheiße, was rede ich für einen Mist«, sagte er. »Um ehrlich zu sein, ich bin überhaupt kein guter Mensch. Ich habe riesige Probleme. Wer heuert heute noch einen Gärtner an? Alle Welt spart, und wenn sich in meinem Leben nicht bald etwas Entscheidendes ändert, kann ich irgendwann in den nächsten Monaten Sozialhilfe beantragen.«
    »Oh«, sagte Karen und fand gleichzeitig, dass sich das dumm anhörte.
    » Ja – oh!«, wiederholte Pit. »Das ist die Welt jenseits der
komfortablen Eigenheime mit den hübschen Gärten, den schönen Autos und den gepflegten Gattinnen. In diesem Land finden verdammt harte Existenzkämpfe statt, das können Sie mir glauben.«
    »Ich lebe nicht auf dem Mond«, entgegnete Karen, »und in der Welt der komfortablen Eigenheime gibt es auch Sorgen und Nöte, das können Sie mir glauben.«
    »Okay«, sagte Pit. Der Moment von Schärfe und Gereiztheit war vorüber. Er war wieder der nette, braun gebrannte junge Mann, der den Charme der Sorglosigkeit ausstrahlte.
    »Es sollte eine Art feste Anstellung sein, die Lenowsky mir angeboten hat«, erklärte Pit. »Neben meinen Arbeiten im Garten sollte ich auch für Reparaturen am und im Haus zur Verfügung stehen. Ich sollte außerdem bei Bedarf Kaminholz hacken und aufschichten, im Herbst das Laub zusammenfegen, im Winter Schnee schippen. Lauter solche Dinge eben, die alte Menschen nicht mehr so gut hinbekommen. Dafür wollte er mir monatlich einen festen Betrag zahlen. Kein Vermögen, weiß Gott nicht, aber eine Grundlage, die mir helfen würde, zu überleben. Ohne Sozialamt. Seit Wochen kann ich nur an diese eine, einzige Chance denken. Verstehen Sie? Es macht mich fertig, dass die beiden Alten offenbar verschwunden sind. Ich muss einfach wissen, was mit ihnen los ist. Sie können mich gern für gierig und berechnend halten,

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