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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Bauern. Die können ganz schön derb werden, besonders wenn sie trinken, und es war nicht auszuschließen, dass sie sich den feinen Stadtmenschen Marius vornehmen würden. Ich hatte wieder Kopfschmerzen, und man sah mir
das wohl auch an. Jedenfalls sagte meine Mutter, ich würde so blass aussehen, was denn los wäre.«
    Sie sah die Szene vor sich: Mama und sie in der gemütlichen Küche des reetgedeckten Hauses, ganz allein, was während der vergangenen zehn Tage nicht ein einziges Mal vorgekommen war. Sie tranken eine Tasse Kaffee zusammen, draußen war es schon fast dunkel, und es begann ganz sacht zu schneien. Vom Küchenfenster aus konnte man über die endlos scheinenden Wiesen hinter dem Garten schauen. Die Weidenbäume ganz hinten am Horizont lösten sich gerade in der Dämmerung auf.
    »Du gefällst mir nicht, Inga«, sagte ihre Mutter, »du bist so verändert. So angespannt und ruhelos. Wie ein Tier, das zu jeder Sekunde wach und auf der Hut sein muss.«
    Sie hatte gelacht und dabei selbst gefunden, dass es mühsam klang. »Vielleicht ist es das Studium. Oder das Leben in der Stadt. Da weht schon ein anderer Wind als hier!«
    »Vielleicht«, meinte ihre Mutter ohne Überzeugung. »Aber du lebst jetzt schon so lange in München, so weit weg von uns – und bislang schien dir das nur gut zu bekommen!«
    Inga nahm einen Schluck Kaffee, schaute aus dem Fenster. Die Flocken wurden dichter.
    »Wie gefällt dir eigentlich Marius?«, fragte sie in beiläufigem Ton.
    Sie fand, dass ihre Mutterziemlich langeüberlegte – zulang.
    »Es ist nicht leicht, ihn einzuschätzen«, sagte sie schließlich.
    »Nein?«, fragte Inga überrascht. Ihre Mutter war der optimistischste Mensch, den sie kannte. Sie hatte eine spontane, positive Antwort erwartet. Oder erhofft, weil sie so dringend in ihrer eigenen Zuversicht bestärkt werden wollte?
    »Ich habe das Gefühl«, sagte ihre Mutter vorsichtig, »dass er sehr kompliziert ist.«

    Es gab sicher wenige Menschen, dachte Inga, die Marius mit dem Attribut kompliziert in Verbindung bringen würden. Marius, der Typ mit den lockeren Sprüchen und den originellen Einfällen, die Frohnatur, die sich selten lange Gedanken um irgendetwas machte; Marius, von dem man sich manchmal ein wenig mehr Tiefgang, ein wenig mehr Reflexion gewünscht hätte … Offenbar hatte ihre Mutter da ein ganz anderes Bild.
    »Er kommt mir vor wie eine Fassade«, fuhr sie fort, »und dahinter ist etwas … ich kann es schwer in Worte fassen … dahinter sind vielleicht Wesenszüge, die ich gar nicht so gern kennen lernen möchte.«
    Es war sehr still in der Küche. Inga erinnerte sich, dass ein bleischweres Gewicht auf ihre Brust zu sinken schien.
    »So schlecht hast du dich noch nie über einen Menschen geäußert«, sagte sie.
    Ihre Mutter sah sie betroffen an. »Tut mir Leid, wenn das so bei dir angekommen ist. Ich wollte mich nicht schlecht über ihn äußern. Ich wollte nur sagen, dass da etwas schwer Fassbares ist …«
    »Was du nicht gern kennen lernen möchtest.«
    Mama hatte genickt. »Weil es mich nervös macht. Aber das kann auch an mir liegen.«
    Aber mich macht es auch nervös, hatte Inga gedacht.
    An diesem sonnigen Julitag auf dem Klippenpfad hoch über dem Mittelmeer schien die winterliche Szene in der warmen Küche sehr fern – und zugleich nah. Nah deshalb, weil sie an Eindringlichkeit und Aktualität nichts verloren hatte.
    Inga sah Rebecca an. »Es war nicht so, dass meine Mutter ihn nicht mochte. Es war eher so, dass sie etwas spürte, was ihr Angst machte. Das ist etwas anderes. Und es ist sehr bedrohlich. «
    »Aber Sie schoben es beiseite?«

    »Natürlich. Darin hatte ich ja mittlerweile Übung. Ich bin das jüngste Kind in meiner Familie, und ich redete mir ein, dass Mama mir gegenüber einen besonders ausgeprägten Beschützerinstinkt hatte. Dass sie in jedem Mann Unheil wittern würde, der mir zu nahe kam. Aber ich war heilfroh, als Marius und ich am zweiten Januar abreisten.«
    Sie gingen langsam weiter. Der Weg war nun breit und eben und sandig. Rebecca sah auf die Uhr. »Gleich halb zwölf. In einer halben Stunde dürften wir La Madrague erreichen. Es gibt dort eine sehr gute Pizzeria. Chez Henri . Wir könnten dort etwas essen.«
    »Gern. Vor allem trinken. Ich bin ziemlich durstig.«
    »Wessen Idee war es eigentlich?«, fragte Rebecca nach einigen schweigsamen Minuten unvermittelt. »Ich meine, hierher zu kommen? Nach Südfrankreich?«
    »Seine. Und zwar auch mal wieder

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