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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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völlig spontan, von jetzt auf gleich. Er konnte sich die Campingausrüstung von einem Freund leihen und überfiel mich förmlich mit seinem Plan. Ich hatte keine besondere Lust, ich dachte an die Hitze und an die überfüllten Strände jetzt in der Hochsaison …, aber seine Begeisterung ließ mir überhaupt keinen Ausweg. Ich hatte das Gefühl, ihn zu kränken, wenn ich allzu intensiv an seinem tollen Einfall herumnörgelte.«
    »Und Kränkung war ja das rote Tuch für ihn.«
    »Genau. Also willigte ich ein und …«, sie zuckte mit den Schultern, »und nun stehe ich hier irgendwo an der provenzalischen Küste vor den Scherben meiner Ehe.«
    »Aber das wäre daheim in Deutschland wahrscheinlich auch über kurz oder lang passiert.«
    »Sicher. Wir trieben schon lange auf das Ende zu, nur wollte ich das nicht erkennen.«
    Rebecca blieb erneut stehen. »Worüber ich ständig nachdenke«, sagte sie, »ist, weshalb Marius mit meiner Person
ganz offenbar unendlich negative Gefühle, ja, fast Hass verbindet. Ich zerbreche mir den Kopf, aber mir fällt nichts ein. Ich kenne ihn nicht, ganz bestimmt nicht.«
    »Vielleicht kennt er Sie?«
    »Oder er kannte meinen … verstorbenen Mann. Hatte mit ihm irgendein Problem und überträgt das nun auf mich.«
    Inga runzelte die Stirn. »Ihr Mann war Arzt, nicht?«
    »Herzchirurg, ja. Könnte es einen Vorfall in Marius’ Familie gegeben haben? Jemand, der mit den ärztlichen Leistungen meines Mannes nicht zufrieden war? Irgendetwas …«
    »Das klingt nicht unplausibel«, meinte Inga, »aber das Schlimme ist, dass ich ja fast nichts weiß über Marius. Er hat nie über etwas Familiäres gesprochen.«
    »Es kommt mir alles sehr zufällig vor. Zu zufällig. Marius trägt einen möglicherweise jahrealten Hass auf meinen verstorbenen Mann oder auf mich mit sich herum. Weder ist er aber jemals in Deutschland noch später hier in Le Brusc an ihn oder an mich herangetreten. Nun trampt er nach Südfrankreich, wird unterwegs vom einstigen besten Freund meines Mannes aufgesammelt und direkt in mein Haus gebracht. Hier stellt er fest, dass ich die Person bin, auf die er schon lange so zornig ist – oder dass ich zumindest die Witwe des Mannes bin, gegen den er eine tiefe Aversion hegt. Er beschließt, das Schiff zu stehlen …« Sie hielt inne. »Das gibt es nicht, oder? So viele Zufälle?«
    »Es gibt schon manchmal eigenartige Zufälle«, sagte Inga, »aber dies hier klingt wirklich sehr weit hergeholt.«
    »Es kann nicht sein, dass er es darauf abgesehen hatte, von Maximilian mitgenommen zu werden?«, fragte Rebecca vorsichtig. »Dass er das Zusammentreffen mit ihm irgendwie hat einfädeln können?«
    »Ich wüsste nicht, wie er das geschafft haben sollte«, sagte Inga ratlos. »Er konnte nicht voraussehen, dass wir durch
dieses abgelegene Dorf wandern würden. Eine Frau hatte uns dort abgesetzt. Maximilian kam nur dort entlang, weil er einen Stau auf der Autobahn umfahren wollte. Dieser Stau war aber keinesfalls planbar oder voraussehbar.«
    Rebecca überlegte.
    »Mir geht da ein Satz nicht aus dem Kopf. Als Sie mir von der Szene auf dem Schiff erzählten, sagten Sie, Marius habe etwas in der Art geäußert, er ›müsse mich nicht kennen, um alles über mich zu wissen‹. Das könnte bedeuten …«
    »Was?«
    »Das könnte bedeuten, dass er mich tatsächlich nicht kennt. Auch nicht meinen verstorbenen Mann. Aber dass ich für etwas stehe, das er hasst. Zutiefst hasst. In diesem Fall wäre der Zufall schon nicht mehr so zufällig.«
    »Und was könnte das sein?«
    »Ich weiß nicht … vielleicht ist es Geld? Das Ferienhaus am Mittelmeer, das Segelschiff, der Umstand, dass mich mein Mann so gut abgesichert hat, dass ich nicht arbeiten muss und trotzdem gut leben kann … Vielleicht hasst er wohlhabende Menschen?«
    Inga schüttelte den Kopf. »Das wäre mir doch dann zu irgendeiner anderen Zeit schon aufgefallen. Ganz sicher hätte er auch in einem anderen Zusammenhang darüber schon einmal eine Bemerkung gemacht. Aber ich hatte nie den Eindruck, dass er ein … ein neidischer Mensch ist.«
    »Kann er etwas gegen Ärzte haben? Gegen Psychologen?«
    » Nicht, dass ich wüsste.«
    » Kinderruf . Mein Verein. Eine Initiative, die sich dem Schutz misshandelter Kinder verschrieben hat. Könnte da etwas bei ihm angesprungen sein?«
    Inga strich sich die Haare aus der Stirn. Sie fröstelte, obwohl der Tag so warm und ihr Gesicht feucht von Schweiß war. Ich weiß ja einfach gar nichts über

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