Der Fremde ohne Gesicht
und zeigte ihn ihm. »Detective Sergeant Sharman. Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Es war ein Risiko, aber er war der Meinung, dass es sich lohnte. Zwar hatte er bei seiner Suspendierung den Dienstausweis an Adams abgeben müssen, aber er hatte mehrere davon, die er sich im Lauf der Jahre genau für eine solche Situation aufgehoben hatte. Jetzt konnte er nur hoffen, dass die Waddams nicht in der Zentrale anriefen, um sich nach ihm zu erkundigen.
Mr. Waddam schien nicht sehr begeistert. »Noch mehr Fragen? Wie lange soll denn das noch so gehen? Wir haben nichts gesehen und gehört, das haben wir Ihnen doch schon gesagt. Unsere Aussage ist protokolliert.«
Sharman stellte sein freundlichstes Lächeln zur Schau. »Nur ein paar Kleinigkeiten, die ich gerne noch einmal mit Ihnen durchgehen würde. Routine, aber es muss sein.«
Bill Waddam seufzte vernehmlich. Dann trat er zur Seite und zeigte Sharman den Weg zum Wohnzimmer.
Als er eintrat, stand Betty Waddam, die strickend auf dem Sofa gesessen hatte, auf und sah ihn nervös an.
Ihr Mann beeilte sich, sie zu beruhigen. »Schon gut, Schatz, das ist …« Er zögerte, als hätte er den Namen vergessen.
Sharman half ihm. Er streckte den Arm aus und ergriff Bettys Hand. »Detective Sergeant Sharman. Tut mir Leid, dass ich Sie noch einmal stören muss, aber ich hätte noch ein paar kleine Fragen.«
Betty Waddam schaute hinüber zu ihrem Mann. »Wir haben doch schon unsere Aussage gemacht.«
Sharman nickte. »Das weiß ich, Mrs. Waddam. Wie ich schon zu Ihrem Mann sagte, es ist nur eine Routineangelegenheit.«
Sie setzte sich wieder. Nachdem Bill Waddam Sharman einen Sessel angeboten hatte, setzte er sich neben seine Frau und nahm ihre Hand. Sharman entging nicht, wie abgespannt sie aussah. »Geht es Ihnen nicht gut, Mrs. Waddam?«
Ihr Mann antwortete an ihrer Stelle. »Sie ist noch nicht darüber hinweg. Sie hatte Mrs. Clarke sehr gern. Sie hat zwar für sie gearbeitet, aber sie waren auch befreundet, wissen Sie.«
Während Sharman nickte, zündete sich Betty eine Zigarette an und begann zu rauchen.
Mr. Waddam sah ihn an. »Möchten Sie eine Zigarette?«
Er hob abwehrend die Hand. »Nein, vielen Dank.«
»Oder Tee?«
»Nein, wirklich, machen Sie sich keine Umstände.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Betty Waddam zu.
»Sie haben die Leiche gefunden, nicht wahr, Mrs. Waddam?«
Sie nickte. »Es war furchtbar. Das arme Mädchen. Wie sie gelitten haben muss!«
»Wie spät war es, als Sie sie fanden?«
Mr. Waddam schaltete sich ein. »Das steht doch alles in der Aussage.«
Sharman lächelte ihn wieder an. »Ich weiß, aber bei all den Einzelheiten ist es mir im Moment entfallen.«
Mrs. Waddam nickte ihrem Mann kurz zu und wandte sich wieder Sharman zu. »Kurz vor sechs. Ich war an dem Tag ziemlich früh dran. Ich hatte nicht gut geschlafen und da dachte ich, stehe ich lieber auf. Komisch, dass ich ausgerechnet in dieser Nacht nicht schlafen konnte. Normalerweise schlafe ich wie ein Murmeltier.«
Sharman nickte aufmunternd und wandte sich an ihren Mann. »Sie haben sie hingefahren?«
Er bejahte.
»Und Sie sind nicht dort geblieben?«
»Nein, ich habe Betty nur abgesetzt und bin gleich wieder nach Hause gefahren.«
»Was machen Sie beruflich?«
»Ich bin jetzt Lieferwagenfahrer. Vorher war ich Portier im King’s College. Über zwanzig Jahre lang. Dort habe ich auch Betty kennen gelernt. Sie war Zimmermädchen.«
Sharman lächelte. Er war entschlossen, die freundliche Atmosphäre aufrecht zu erhalten. »Sehr romantisch.«
Waddam drückte die Hand seiner Frau.
»Wie haben Sie von dem Mord erfahren, Bill?«
Er deutete mit dem Kopf zu seiner Frau hin. »Sie hat mich auf dem Handy angerufen. Ich bin sofort zurückgefahren. Sie war in einem schrecklichen Zustand. Ich muss gestehen, nachdem ich die Leiche gesehen hatte, war ich auch ziemlich fertig.«
»Was passierte dann?«
»Ich habe die Polizei angerufen. Sie waren ziemlich schnell da. Von da an haben wir uns aus dem Getümmel herausgehalten. Zumindest, bis man eine Aussage und eine Blutprobe von mir für einen DNS-Test haben wollte. Nur fürs Ausschlussverfahren, haben sie gesagt. Ich schätze, in Ihrem Job muss man jeden verdächtigen?«
»Das ist einer der Nachteile. Haben Sie irgendetwas angefasst oder jemanden gesehen?«
Beide schüttelten den Kopf, doch vorher warfen sie sich einen kurzen Blick zu. Es war nur ein winziger Moment, aber er reichte aus, um Sharman merken
Weitere Kostenlose Bücher