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Der Fremde ohne Gesicht

Der Fremde ohne Gesicht

Titel: Der Fremde ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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an ihr vorbei ins Zimmer trat.
    »Guten Morgen, Jean.«
    Jean antwortete nicht. Jeder Feind von Dr. Ryan war auch ihr Feind.
    Sam sah sie an. »Dann also Kaffee für zwei. Danke, Jean.«
    Jean nickte, sog vernehmlich die Luft durch die Nase und verließ den Raum. Sam stand nicht auf, um Tom zu begrüßen, wie sie es normalerweise getan hätte, sondern blieb sitzen und beobachtete ihn, während er das Zimmer durchquerte und ihr gegenüber Platz nahm. Dann beugte sie sich vor und fragte in einem möglichst geschäftsmäßigen Tonfall: »Was kann ich für Sie tun, Superintendent?«
    Adams lächelte sie an. »Als Erstes kannst du den Blödsinn lassen, Sam, dazu kennen wir uns zu gut.«
    Sam verzog keine Miene. »Sogar so gut, dass du offenbar glaubst, mir in den Rücken fallen und mich aus einem Fall ausschließen zu können.«
    Tom lehnte sich zurück. »Das hatte nichts mit deiner Fachkompetenz zu tun, wie du sehr wohl weißt, sondern mit unserer Beziehung …«
    »Ich wusste gar nicht, dass wir eine haben«, unterbrach Sam ihn.
    Diesmal beugte sich Tom auf seinem Stuhl vor. »Der Regenbogenpresse zufolge haben wir eine.«
    »Schmeichle dir nicht selbst.«
    Tom schüttelte den Kopf. »Tue ich nicht, das tun die. Wie konntest du dich nur so fotografieren lassen?«
    Obwohl sie sich über seine Bemerkung ärgerte, wusste sie, dass er Recht hatte. Es war dumm gewesen. »Das war nicht meine Absicht. Woher sollte ich denn wissen, dass er einen seiner Fotografen im Gebüsch versteckt hatte? Nicht nur die Polizei arbeitet mit schmutzigen Tricks.«
    Tom lehnte sich wieder zurück. »Hört zu, es tut mir Leid, was mit uns passiert ist, wirklich. Im Rückblick hätte ich vielleicht vieles besser machen können. Ich weiß nicht. Aber Tatsache bleibt: Als ich jemanden in meinem Leben haben wollte, da wolltest du nicht dieser Jemand sein.«
    Sie starrte ihn an, ohne zu antworten.
    »Wenn ich oder irgendjemand sonst sich zwischen dich und deinen Beruf zu drängen versucht, wird das Ergebnis immer dasselbe sein.«
    Sam ging in Verteidigungsstellung. »Das ist nicht wahr.«
    »Doch, und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, wirst du das auch zugeben.« Tom gab nicht nach.
    Sie wusste, dass er Recht hatte. Sie hatte es immer gewusst. Es war nicht so, dass sie es nicht zugeben wollte. Sie konnte es nicht. Dazu hätte sie sich eingestehen müssen, dass sie vielleicht doch nicht der vollkommene Mensch war, für den sie sich immer gehalten hatte. Niemand dachte gern Schlechtes von sich selbst, und da war Sam keine Ausnahme.
    Tom fuhr fort: »Der einzige Grund, warum ich dich von dem Fall entbunden habe, ist der, dass wir beide noch nicht darüber hinweg sind, und das merkt man uns an. Ich hatte das Gefühl, dass du durch dein Verhalten am Tatort des Clarke-Mordes meine Autorität untergraben hast, das weißt du. Wir müssen unser Privatleben und den Beruf auseinander halten, was immer wir auch persönlich empfinden mögen.«
    Sam musterte ihn einen Moment. »Ich war der Meinung, dass ich das tue.« Es war eine Lüge.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, das tust du nicht. Sam, ich denke jeden Tag an dich. Für mich ist es auch nicht leicht.«
    Sie spürte, wie ihr die Selbstbeherrschung entglitt. »Nur, dass du jemanden hast, zu dem du nach Hause kommen und mit dem du über deine Sorgen reden kannst. Wen zum Teufel habe ich?«
    Er wich ihrem Blick nicht aus. »Du lebst so, wie du es selbst gewählt hast, Sam. Du musst nicht allein leben. Es gibt jede Menge Leute, die gern dein Leben mit dir teilen würden. Ich war selbst so jemand.«
    Sam ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Es stimmte, aber das würde sie auf keinen Fall zugeben.
    »Ist das alles, weswegen du hergekommen bist?«
    Tom zögerte einen Moment. »Nein, nicht ganz.«
    »Und was ist der eigentliche Grund?«
    Er zögerte wieder. »Ich wollte mich erkundigen, wie du mit diesem unbekannten toten Mädchen vorwärts kommst.«
    Sam zückte die Achseln. »Prima.«
    »Hast du etwas Neues entdeckt? Ich würde wirklich gerne helfen, wenn ich kann.«
    Das war gelogen. Tom ging es überhaupt nicht darum, ihr zu helfen. Er konnte es sich gar nicht leisten, noch eine umfangreiche Ermittlung vom Zaun zu brechen, aber er musste sich absichern für den Fall, dass sie etwas herausfand und er dann als Trottel dastand.
    »Wann tagt die Berufungskommission für den Posten des Deputy Chief Constables?«
    Tom holte tief Luft. Allmählich ging ihm die Ruhe flöten, die er sich zu bewahren

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