Der Fremde ohne Gesicht
Chance war nicht unbedingt groß, aber es war einen Versuch wert. Sid war gern bereit, die Aufgabe zu übernehmen, solange ein »Drink« dabei heraussprang, wie Sid Schmiergelder gerne nannte. Sharman sagte bereitwillig zu, solange es nicht zu teuer wurde. Umsonst gab es heutzutage nichts mehr. Nicht einmal bei Freunden und Kollegen.
Zu Sharmans Überraschung meldete sich Sid schon nach weniger als zwei Stunden wieder. Er rief ihn von einer Telefonzelle aus zu Hause an. Sid Booth ging nie gerne ein Risiko ein.
»Ich habe eine Spur zu der Inschrift, die du mir gegeben hast.«
Er machte eine Pause, als wartete er darauf, dass Sharman auf und ab hüpfte und »Danke« durch die Leitung brüllte. Das tat er aber nicht. Schließlich ging es nur ums Geschäft.
»Die Uhr stammt aus einem Raub in King’s Lynn. Ziemlich üble Sache, einen Mann hat’s dabei erwischt.«
Sharman horchte elektrisiert auf. »Weiter, Sid, spann mich nicht auf die Folter.«
»Es war ein Einbruch in einem kleinen Dorf namens Bridgeford, der schief ging. Der Hausbesitzer kam mitten in der Nacht herunter und erwischte jemanden dabei, wie er seine Schubladen durchsuchte. Er griff den Mann an und wurde dafür mit seinem eigenen Schürhaken zusammengeschlagen. Zwei Tage später starb er.«
»Haben sie jemanden einlochen können?«
Booth überflog das Blatt, das er in der Hand hielt, und sagte schließlich: »Nein, aber sie hatten jemanden im Verdacht.«
»Wen?«
Wieder eine Pause, während Booth das Blatt umdrehte. »Einen Nichtsesshaften namens Alex Johnson, auch Spade genannt. Übler Bursche, hat schon so ziemlich alles hinter sich, hauptsächlich Gewaltdelikte.«
Sharman spürte das Adrenalin in seinen Adern. »Ich komme vorbei und hole mir seine Unterlagen.«
Booth lache kurz auf. »Oh nein, das lässt du bleiben. Wir treffen uns in einer halben Stunde auf dem Tesco-Parkplatz. Und bring mir einen großen Drink mit.« Damit meinte er hundert Pfund, wie Sharman wusste.
»Ich werde da sein, Sid. Lass mich nicht warten.«
Er wollte schon auflegen, als Booth ihm zubrüllte, er sei noch nicht fertig. »Der Detective Sergeant, der mit dem Fall befasst ist, heißt Bill Flemming. Könnte sich lohnen, mal mit dem zu reden. Hast du die Uhr noch?«
»Nein, die ist kaputtgegangen, als wir die Inschrift sichtbar gemacht haben«, log Sharman. Dann legte er auf und ging hinunter zu seinem Wagen. Er konnte es nicht erwarten, an Booths Informationen zu kommen.
Nachdem einen Augenblick lang Schweigen geherrscht hatte, während alle Wards letzte Worte verdauten, fuhr Sam fort. »Warum haben Sie das nicht schon früher gesagt?«
Meadows beäugte ihn argwöhnisch.
»Ich wollte ihr Andenken und Johns Ruf schützen. Schließlich ist er gerade Minister geworden.«
Sam nickte. »Ich weiß. Aber sein Ruf ist Ihnen doch nicht Ihr ganzes Leben wert, oder? Es ist ja nicht so, als ob er etwas dafür könnte.«
Ward lächelte, während er sich seine dritte Zigarette anzündete. »Die Öffentlichkeit sieht das meist etwas anders. Ein älterer Mann, dessen jüngere Frau ihn hinter seinem Rücken zum Narren hält. Sie können sich vorstellen, was die Leute sagen werden. Das hat John nicht verdient.«
Das leuchtete Sam ein, aber sie war mit der Antwort noch nicht zufrieden. »Warum haben Sie dann überhaupt ein Verhältnis mit ihr begonnen?«
Er zuckte die Achseln. »Wir fühlten uns zueinander hingezogen. Es war keine große Sache. Wir hatten nicht vor, zusammen abzuhauen. Aber wir mochten uns nun mal und wir waren sehr vorsichtig. Lange wäre das nicht mehr gegangen.«
»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
Er zögerte einen Moment und sah Appleyard an, als wollte er ihn um Erlaubnis bitten, die Frage zu beantworten. »An dem Abend, bevor sie ermordet wurde.«
Meadows rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Allmählich wurde die Sache knifflig.
Sam fuhr unbeirrt fort. »Warum gerade dann?«
»John war auf irgendeinem Empfang im Unterhaus. Roger, der Hausmeister, hatte seinen freien Tag, sodass wir sturmfreie Bude hatten. Es war ein schöner Abend.«
Meadows, dem es nicht gefiel, wie die Dinge liefen, schaltete sich ein. »Haben Sie sie vor dem Sex gefesselt?«
Ward funkelte ihn an. »Wenn Sie noch einmal unterbrechen, gehe ich.«
Sam hob die Hand, um Meadows zum Schweigen zu bringen, bevor er alles ruinierte. Dann wandte sie sich wieder Ward zu, der immer noch verärgert aussah. »Hatten Sie Sex?«, fragte sie.
Er nickte und schaute dann an
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