Der fremde Pharao
bist erschöpft.« Hor-Aha verbeugte sich.
»Ich weiß«, erwiderte er. »Ich habe mich hingesetzt und auf Verstärkung gewartet, nachdem ich die Tür verschlossen hatte, aber irgendwie hatte ich keine Lust mehr zum Aufstehen. Es ist ein bedrückender Tag gewesen.«
»Hat Mersu geredet?« Hor-Aha schüttelte den Kopf.
»Er ist bemerkenswert gefasst. So sehr, dass ich misstrauisch bin, auch wenn es keinen Ausweg aus seiner Zelle gibt.« Si-Amun trat näher.
»Ich will ihn aufsuchen. Du kannst gehen, General. Schlaf gut, und morgen erstattest du mir Bericht, was man aus Vaters katastrophalem Feldzug hat retten können. Aber nicht zu früh!« Hor-Aha verbeugte sich und ging, zog dabei den Umhang fest um seine geschwollene Schulter und entfernte sich im Fackelschein. Si-Amun winkte einem Wachposten. »Mach die Tür auf.«
Kurz darauf ging sie auf, und Si-Amun trat ein und schloss sie mit der Ferse hinter sich. Mersu stand auf und verbeugte sich tief. Er hatte auf seinem Lager gesessen und zwei Knöchelchen in der Hand gedreht. Als Si-Amun in den schwach beleuchteten Raum trat, legte er sie auf den Deckel seiner Truhe, und Si-Amun, dem das ruhige Betragen des Haushofmeisters vorübergehend die Sprache verschlagen hatte, bemerkte, wie die Knöchelchen glänzten, wie oft sie benutzt worden waren. Jeder Ägypter spielte gern mit dem Knöchelspiel, doch er hatte keine Ahnung gehabt, dass auch Mersu dieser Sucht frönte. Der Gedanke erzürnte ihn, doch er gab sich bewusst Mühe, sich zu beherrschen.
»Du bist bemerkenswert ungerührt, Mersu«, sagte er. Der Mann tat die Worte mit einem leichten Schulterzucken ab.
»Warum gegen das Schicksal kämpfen und Energie verschwenden und meine Würde verlieren?«, antwortete er. »Ich habe meine Pflicht meinem König gegenüber getan. Mein Gewissen ist rein. Ich werde den Schlaf des Gerechten schlafen, Fürst.« Si-Amun forschte auf dem glatten Gesicht nach unterschwelliger Dreistigkeit, doch die einzige Unverschämtheit waren Mersus selbstbewusste Worte an sich.
»Du glaubst, dass dich der König freilassen wird, ehe Seqenenre bestattet ist«, sagte er langsam. »Darum sorgst du dich nicht wegen deiner Verhaftung.« Mersu lächelte.
»Vielleicht«, gab er zu. »Aber ich vertraue auch auf deine Nachsicht, Fürst.«
»Was?« Si-Amun wollte sich wütend auf Mersu stürzen, doch Mersu wich und wankte nicht.
»Falls du mich nicht für unschuldig erklärst oder meinen Fall nicht wegen Mangel an Beweisen ablehnst, werde ich deinen Brüdern und jedem, der es hören will, erzählen, welche Rolle du selbst bei Seqenenres Untergang gespielt hast. Bist du tapfer genug, dich neben mich vor den Richter zu stellen, o Fürst von Waset?«, so höhnte er mit einem Lächeln, das um seinen Mund wie festgewachsen wirkte. »Ich erwarte, in zwei Monaten unterwegs nach Auaris zu sein. Dass ich in der Zwischenzeit eingesperrt bin, macht mir nichts aus. Ich habe für deine Großmutter lange und hart genug gearbeitet. Ich brauche Ruhe.«
Si-Amun hatte es die Sprache verschlagen. Sein Blut empörte sich nicht nur gegen die Gefühllosigkeit des Haushofmeisters, sondern auch gegen die völlige Missachtung von Si-Amuns Rang und Stellung, die seinen unhöflichen Worten innewohnte. Für ihn sind wir provinzielle Kleinfürsten, dachte Si-Amun zornig und bekümmert. Er schämt sich, dass er uns gedient hat. Nur ein König ist seiner Dienste würdig, und unser Anspruch auf die Königswürde ist ihm eine Quelle der Peinlichkeit gewesen. Wir werden ja sehen, wer in diesem Teil Ägyptens die Macht hat, du Setiu-Wurm!
Er tat einen Schritt und schlug Mersu hart auf den Mund. »Wie kannst du es wagen, so zu mir zu sprechen!«, fuhr er ihn an. »Du Bauer! Während du auf deinen Prozess wartest, kannst du dich nützlich machen und Matten für die Zellen der anderen Diener hier flechten, das wird dich an deinen gebührenden Stand erinnern. Tetischeri hat dich verwöhnt. Du bist niedriger gesinnt als der einfachste Bauer, der am Schaduf schwitzt.«
»Und du?«, flüsterte Mersu. Seine Hand fuhr nicht zu seinem Gesicht, wo sich Si-Amuns Hand rot abzeichnete. »Was ist mit dir, du stolzer Tao?« Si-Amun hielt seinem Blick stand und bemerkte gleichzeitig den stinkenden schwarzen Rauch, der von dem nicht gestutzten Docht hochwölkte, den unebenen, kühlen Lehmfußboden unter seinen Füßen, das zerdrückte, grobe Leinenlaken auf der Pritsche hinter Mersus starr aufgerichteter Gestalt.
»So sei es denn«, quälte er sich
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