Der fremde Pharao
mir? Tetis Wunden, meine Wunden, jetzt nur noch Narben, abgetrocknet und verheilt. Amun, bewahre mich davor, dass ich sie erneut aufreiße! Die Lampe an der Mauer hinter Seqenenres Kopf flackerte, ihr Schein zuckte gelegentlich über Tetis Gesicht und brachte seine Augen zum Glitzern.
»Warum bist du dann nicht Nomarch von Chemmenu? Erpa-ha ist doch ein erblicher Titel.« Er hatte die Grenzen der Gastfreundschaft und der familiären Zuneigung bei weitem überschritten, aber er konnte nicht anders. Teti biss sich auf die Lippen.
»Ich dachte, das wüsstest du, Fürst«, murmelte er mit belegter Stimme. »Mein Großvater hat einen Aufstand gegen Osiris Sekerher, Apophis’ Großvater, angeführt. Weiter als bis Henen-Nesut südlich von Ta-sche ist er nicht gekommen. Man hat meinem Großvater verziehen, ihm aber wegen Hochverrats die Zunge herausgeschnitten und ihm seinen Titel aberkannt. Unser König und sein Vater sind jedoch gnädig gewesen. Mein Vater Pepi hat im Heer des ersten Apophis Wiedergutmachung geleistet, und ich bin dankbar für das, was ich habe.« Er zog sich noch tiefer ins Dunkel zurück, doch Seqenenre konnte noch immer seine Augen sehen, verschleiert und wachsam. »Ich schwanke mit dem Wind, damit ich nicht breche«, sagte er jetzt vertraulicher. »Und dir, Seqenenre Tao, rate ich, es mir gleichzutun. Ja, ich habe dich in der Tat immer für einen abgeklärten und willfährigen Menschen gehalten. Es gibt keinen anderen Weg.«
Stumm blickten sich die beiden an. Am Ende des Flurs, der auf den Empfangssaal ging, plauderten und lachten bereits Gäste, Licht kam herausgeströmt, doch nicht bis zu ihnen. Nach einem Weilchen befeuchtete Seqenenre seine Lippen. »Wirklich nicht?«, sagte er mit rauer Stimme. »Du weißt von den Briefen, Teti?« Teti trat noch einen Schritt näher, packte seinen Freund beim Arm und schüttelte ihn einmal kräftig.
»Ja, ich weiß davon! Ganz Ägypten weiß davon! Nimm sie geduldig hin, und sie werden aufhören! Ich weiß nicht, welcher Dämon Besitz von dir ergriffen hat, Fürst, aber geh schnell zu den Zauberern und lass ihn dir austreiben!«
»Keinen anderen Weg?« Die Worte wurden so leise gesagt, dass sich Seqenenre nicht sicher war, ob Teti sie gehört hatte. Der ließ ihn jetzt los und musterte Seqenenre lange, dann wurde seine Miene traurig und bedrückt.
»Nein«, erwiderte er, machte auf den Fersen kehrt und ging in den Saal, wo ihm fröhlicher Lärm entgegenschlug. Seqenenre folgte betäubt und mit hämmerndem Herzen. Das ist das Ende, dachte er, doch Aahotep sah ihn und kam durch die Menge geeilt. Er bückte sich, denn eine Dienerin wollte ihm einen duftenden Wachskegel auf dem Kopf befestigen und ihm mit einem abbittenden Wort einen Kranz aus blauen Lotosblüten um den Hals legen. Aahotep gab ihm einen Kuss.
»Du siehst krank aus«, sagte sie. »Komm, setz dich. Zu viel des guten Weins, Fürst?« Er schaffte es, ihr ins geschminkte Gesicht zu lächeln, und ließ sich zu einem niedrigen, mit Blüten bestreuten Tisch führen, der auf ihn wartete. Die anderen Gäste setzten sich vor ihre eigenen Tische ringsum im Saal, und dann bahnten sich die Musikanten mit Harfen und Trommeln unter dem Arm einen Weg zur Estrade. Das Ende, das Ende!, dachte Seqenenre inbrünstig. Morgen werde ich mich bei Teti entschuldigen. Ich kann mich nicht einmal mit Trunkenheit herausreden. Ich werde ihn und seine Familie nach Waset einladen. Ich werde alles gutmachen. Doch als er sich neben Aahotep niederließ und sich höflich umdrehte und die Frau an seiner anderen Seite begrüßte, meuterte er innerlich. Ich bin ein König, dachte er aufgebracht. Ich bin der Horus. Und ein Horus macht nichts gut.
An diesem Abend trank er zu viel, sang mit den Sängerinnen und tanzte mit den nackten Frauen, die sich zwischen den Tischen wanden und wirbelten. Er war nicht allein. Als das kalte Licht der Morgendämmerung in den Saal sickerte, lag der Fußboden voller Gäste, die zu berauscht gewesen waren, um in ihre Sänften zu steigen und heimzukehren. Aahotep, Uni und Isis zerrten und trugen Seqenenre zu seinem Lager im Gästeflügel, wo er brummelte, ächzte und in einen trunkenen Schlaf fiel.
Gegen Mittag wachte er mit furchtbarem Durst und Kopfschmerzen auf, von denen ihm schier der Kopf platzte. Er rollte sich vom Lager, setzte sich auf und wartete, dass der Schwindel nachließ. Draußen im Garten hörte er Stimmen und weiter entfernt Geplansche und Geschrei. Hunde bellten. Es klopfte an die
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