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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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daheim. Tag um Tag schritten sie die Felder ab und sahen den Aufsehern zu, die die Erntearbeiter beaufsichtigten. Die Sicheln hoben und senkten sich. Ihre ganz besondere Sorge galt der Flachsernte, von der viel nach Norden gehen und das zarte Leinen für den königlichen Haushalt stellen würde. Das war im Austausch für den Bedarf der Familie, und den Rest würden Isis und andere Dienerinnen für Aahotep und die Mädchen verweben. Die Gerste für das neue Bier wurde gut gelagert. Die Ernte war reichlich ausgefallen, und Herr und Diener gleichermaßen arbeiteten froh und munter.
    Gegen Ende des Monats Mesore, als Si-Amun, Kamose, Seqenenre und Uni sich einschlossen, den Ertrag berechneten und sich bemühten, die Steuern und den Tribut zu bemessen, die nach Auaris gehen mussten, klopfte Aahmes-nofretari an und näherte sich dem unordentlichen Schreibtisch. Sie war jetzt im achten Monat, doch es war ihr erstes Kind, und so war ihr schlanker Leib nicht übermäßig entstellt. Sie litt mehr als üblich unter der Hitze und lief nicht mehr so viel auf dem Anwesen herum. Heute war sie barfuß und trug ein knöchellanges weißes Hemdkleid, das unter der Brust von zwei breiten Leinenbändern gehalten wurde, die auch ihre Brustwarzen bedeckten. Das Menat-Amulett, das ihre Mutter ihr geschenkt hatte, hing an einem Lederband um ihren Hals. Sie hatte keinen Schmuck an den Armen, doch aus ihrem Haar fielen gelbe Bänder und klebten an ihren schweißfeuchten Schultern, und als sie näher trat, schob sie ihre feuchten Zöpfe zurück. Hinter ihr trabte Raa, ihre Kinderfrau und ihre liebste Gefährtin, mit einem großen, gestärkten Fächer.
    Die Männer blickten von ihrer Arbeit hoch. Dankbar ließ sich Aahmes-nofretari auf den Schemel sinken, den Seqenenre ihr hinschob. »Danke, Vater«, sagte sie. »Tut mir Leid, dass ich euch störe, aber gerade hat ein königliches Boot von der Bootstreppe abgelegt. Der Herold hat gesagt, dass er nicht bleiben und mit dir reden kann. Er hat gesagt, er hat dringende Geschäfte mit dem Fürsten von Kusch. Er hat mir eine Rolle für dich gegeben. Tani ist sehr enttäuscht!« Seqenenre lachte.
    »Tani wird allmählich verwöhnt. Sie glaubt, dass jedes Boot auf dem Nil nur ihretwegen unterwegs ist. Vermutlich ist die Rolle unser Steuerbescheid aus Auaris. Und der wird bei der guten Ernte hoch ausfallen, und Men meldet mir, dass wir noch nie so viele Kälber gehabt haben. Na schön, sehen wir uns den einmal an.« Aahmes-nofretari streckte ihm die Rolle hin, und Seqenenre nahm sie.
    »Der Aufseher der Ländereien ist mit den Berichten über die Ernte in den Nomarchen gekommen«, fuhr die junge Frau fort. »Großmutter bewirtet ihn am Teich mit Wein. Sie bittet darum, dass du auch kommst. Die Nomarche Tschaus beklagt auf Grund von Brandfäule eine geringere Ernte.« Kamose lächelte schmal.
    »Die Nomarche Tschaus hat immer etwas zu beklagen«, sagte er.
    »Lieber eine Klage als verheimlichendes Schweigen«, antwortete sein Vater und erbrach das Siegel.
    »Aahmes-nofretari, richte deiner Großmutter bitte aus, dass ich in Kürze bei ihr bin.« Die junge Frau stand auf und ging, gefolgt von Raa.
    Seqenenre entrollte den Papyrus. Si-Amun und Kamose sahen erwartungsvoll zu. Und dann rutschte es Seqenenre leise heraus: »Nein. Nein! Es ist doch nicht zu fassen.« Die Hand, die die Botschaft hielt, fiel auf den Schreibtisch. Kamose trat näher und berührte seinen Vater an der Schulter. Die zitterte.
    »Darf ich lesen?«, fragte er angespannt. Seqenenre nickte.
    »Lies laut vor. Vielleicht habe ich einen Teil der Botschaft falsch verstanden.« Kamose und Si-Amun wechselten einen raschen Blick, und Kamose griff nach der Rolle. Er überflog sie rasch und räusperte sich.
    »›An meinen …‹«
    »Nicht die Anrede!«, fiel ihm Seqenenre hart ins Wort. »Dieser Heuchler!« Uni hinter dem Schreibtisch fuhr zusammen, bewahrte aber Fassung. Kamose las weiter.
    »Na schön, Vater. ›Eine Zeit lang habe ich friedlich in meinem Palast geschlafen, und nichts als Vogelrufe haben mich gestört, doch schon bald hat mich in meinen Träumen mehr als nur das Husten deiner Nilpferde verfolgt, und nun sind Stimme und Augen aus Mangel an Schlaf schwach und trübe. Die Maulkörbe deiner Lederarbeiter haben die Tiere nicht davon abgehalten, ihren König zu quälen. Darum habe ich mich mit den Priestern Seths des Erhabenen beraten, dessen Kinder die Nilpferde sind, und habe danach geforscht, warum die Schützlinge des Gottes

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