Der fremde Pharao
mich noch immer mit ihrem Geschrei belästigen.‹« Kamose hielt inne, und sogar er schien beinahe die für ihn typische Fassung zu verlieren. Seqenenre saß starr da, hatte den Mund grimmig zusammengekniffen und blickte auf seine fest gefalteten Hände. Si-Amun wirkte geduldig, unbeteiligt, angespannt. Kamose holte tief Luft und fuhr fort. »›Die Kinder des Gottes sind zornig, weil die Wohnstätten ihres Herrn so weit entfernt von Waset stehen. Sie sind traurig, weil sie kein Priester anbetet. Darum rate ich, Awoserra Apophis, Geliebter des Seth, dir, Seqenenre, meinem Gebieter, dem Gott Sutech, im Süden eine Wohnstatt zu bauen, auf dass er in Waset verehrt werden kann und seine Kinder Ruhe finden. Wenn sich die Kunde von dieser Absicht in den Provinzen des Nomarchen von Waset verbreitet, werden die Menschen jubeln und zum Bauplatz strömen und das Haus erbauen und den Gottesdienern, die sich darum kümmern, Tribut bringen. Falls der Nomarch des Südens meine Botschaft nicht beantwortet, darf er nicht länger einem anderen Gott als Sutech dienen, falls er jedoch antwortet und tut, was ich ihm sage, werde ich ihm nichts fortnehmen und mich nie wieder vor einem anderen Gott auf der ganzen Welt verneigen als vor Amun, dem König der Götter.‹« Kamose legte die Rolle übertrieben behutsam auf den Schreibtisch und verschränkte die Arme.
»Ich bin überrascht, dass er es überhaupt schafft, so viele zusammenhängende Worte hintereinander zu finden«, knurrte Seqenenre. »Dieser dreckige Aati!« Der wohl bekannte Zorn, der ihn damals, bei seinem Wortwechsel mit Teti, gepackt und ihm fast die Kehle zugeschnürt hatte, überkam ihn jählings wieder. Er zuckte zusammen, und Si-Amun lief zu ihm.
»Vater, das ist Gotteslästerung«, sagte er und wurde blass. »Überlege gut, wen du ein Fieber und eine Pest nennst! Es stimmt, Seth hat keinen Tempel südlich von Chemmenu. Schon möglich, dass dies dem Gott missfällt. Dass er durch seine Kinder und seine Priester zum König gesprochen hat.« Si-Amuns Schweiß durchtränkte das Band seiner kurzen schwarzen Perücke und rann ihm den Hals hinunter, und die erstickende Hitze im Zimmer schien noch schlimmer zu werden. »Wenn er hier in Waset einen Tempel haben will, müssen wir uns fügen.« Seqenenre hob langsam den Kopf und sah ihn an.
»Einem Sohn, der ›müssen‹ zu seinem Vater sagt, mangelt es womöglich an Disziplin«, fuhr er ihn an, doch er hatte sich etwas gefasst. »Natürlich ist es möglich, dass der Gott durch seine Priester gesprochen hat, aber das glaube ich nicht. Kamose?« Der junge Mann schritt im Raum auf und ab.
»Ich glaube es auch nicht, Vater. Apophis zieht das Netz zu. Ein Tempel für Seth hier, das heißt ständig Vertreter des Königs in Waset. Jede unserer Bewegungen wird beobachtet. Für uns und für die Nomarchen bedeutet das eine große Zahl von Fronarbeitern für den Bau und noch größeren Tribut für Baumeister, Steinmetze und Aufseher.« Er kam zu der Stufe, die zwischen zwei kleinen Lotossäulen in den dahinter liegenden Garten führte, drehte sich um und ging gemessenen Schrittes zurück. »Falls wir dem verkappten Befehl des Königs nachkommen, verändert das unser Leben für immer. Wir verlieren das bisschen Freiheit, das wir noch haben. Falls wir uns weigern, hat er eine Ausrede, uns des Ungehorsams zu bezichtigen, sowohl gegen einen himmlischen Befehl als auch gegen Seth.« Er lächelte frostig. »Ich glaube kaum, dass dir noch ein einfallsreicher Brief einfällt, der die Absichten des Königs in eine andere Richtung lenkt.«
»Du könntest Recht haben«, sagte Seqenenre und nickte hölzern. »Dazu würde ich ein so vielschichtiges Hirn wie Thots brauchen.« Er drehte sich auf dem Stuhl um. »Uni, du bist in diesem Haus meine rechte Hand. Du befehligst meine Dienerschaft. Was hältst du davon?« Uni verbeugte sich.
»Seth ist nicht nur der Gott der Fremdländer«, antwortete er, »sondern auch der Herrscher der Wüste. Sind wir, o Fürst, nicht gleichermaßen Kinder der Wüste wie des fruchtbaren Landes? Ein Tempel für Seth hier in Waset wäre wirklich angebracht.« Ihm war bei diesen Worten sichtlich unwohl, er musste mehrfach schlucken, und sein Blick huschte zwischen Seqenenres aufmerksamer Miene und Kamoses schweißfeuchtem Rücken hin und her.
»Könnten die Nomarchen die Arbeit und die Ausgaben tragen?«, fragte Kamose, der jetzt an der Tür stand und sich umdrehte. »Apophis will, dass du dich weigerst, das weißt du,
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