Der fremde Pharao
Vater, ja? Er will dich ruinieren.« Die Worte standen knapp und finster in der stickigen Nachmittagsluft.
»Seine Unsicherheit ist gefährlich«, sagte Seqenenre leise. »Ich habe ihm treu und ehrlich gedient, aber angesichts seiner heimlichen Angst zählt meine Ergebenheit nicht.« Er stand ungelenk auf und bemühte sich um ein aufmunterndes Lächeln für Uni. »Du musst dich wegen deiner Besorgnis nicht schämen«, sagte er freundlich. »Du bist dieser Familie wie auch unserem König immer treu gewesen, und jedes Wort, das gegen ihn gesprochen wird, greift dir ans Herz. Ohne dich bin ich verloren, Uni. Ich weiß, dass du in Anwesenheit des Königs über jedes gegen uns geäußerte Wort gleichermaßen betrübt wärst. Verzeih mir.« Unis Miene heiterte sich wieder auf.
»Ich gehorche dem Einzig-Einen und dir«, gab er zurück. »Und jetzt, Gebieter, musst du zum Aufseher, der sich mittlerweile gewiss mit Obst voll gestopft und mit deinem Wein voll geschüttet hat.« Seqenenre zwang sich zu einem Lachen.
»Den hatte ich ganz vergessen. Ich will sofort zu ihm. Du kannst gehen.« Als Uni unter Verbeugungen rückwärts das Zimmer verlassen hatte, blickten sich Vater und Söhne an. Si-Amun trat zu Seqenenre.
»Du musst es tun«, sagte er beklommen. »Wie du schon gesagt hast, bist du stets ein treuer und ehrlicher Diener gewesen. Alles andere ist undenkbar.«
Vor Seqenenres innerem Auge standen Tani und Ramose, die sich mit Binsen bewarfen und schallend lachten, Si-Amun und seine andere Tochter, die sich umarmten und den Rest der Welt vergessen hatten, Aahotep und seine herrische, abgöttisch geliebte Mutter, die am Wein nippten und im sommerlichen Schatten seiner Bäume plauderten. Ja, das andere, das Si-Amun unbewusst und schnell begriffen hatte, war undenkbar, und dennoch empörte sich sein ganzes Wesen gegen die ungerechten und quälenden Machenschaften des Königs. »Ich muss darüber nachdenken«, sagte er, »aber nicht jetzt. Ich brauche Wein.« Bedrückt verließen sie das Arbeitszimmer und traten in die strahlende, nachmittägliche Backofenhitze.
Seqenenre schaffte es, den Inhalt des Schreibens sieben Tage lang vor den Frauen geheim zu halten. Vor allem wollte er Tani nicht das Herz schwer machen, doch er wusste, dass er es den anderen irgendwann sagen musste, und scheute vor der unvermeidlichen Diskussion zurück, die folgen würde. Ihm war klar, dass das scharfe Auge seiner Mutter seine Zerstreutheit bemerkt hatte, doch sie wartete taktvoll, wenn auch ungeduldig darauf, dass er sie ins Vertrauen zog. Aahotep beunruhigte sich auch über sein Schweigen, aber sie schrieb es einer zweiten Rolle zu, die gleich nach der ersten eingetroffen war und in der die Steuern und der erwartete jährliche Tribut aufgelistet standen. Wie Kamose vorhergesagt hatte, war beides hoch. Doch die Belastung waren sie gewohnt, die trugen sie seit Jahren, und Seqenenre warf Uni die Rolle mit einer fahrigen Bemerkung zu und vergaß sie.
Er suchte auch bei Amun weder Trost noch Rat. Und dabei ging er jeden Morgen und vollzog die Riten der Waschung, Bekleidung und Speisung des Gottes und stand neben Amunmose, während der Hohe Priester die Ermahnungen sang, aber er brachte es nicht über sich, den Gott um Rat zu bitten. Er hatte Angst vor dem, was Amuns Orakel sagen würde. Seths Anwesenheit in Waset würde Amuns Macht Abbruch tun. Es würde zu Rivalitäten zwischen den beiden Göttern und ihren Dienern kommen. Seth war launisch. Eben beschützte er die Wüstenkarawane noch vor Löwen oder räuberischen Schasu, und im nächsten Augenblick fletschte er die Zähne wie der Wolf, der er war, und zerriss dieselbe Karawane in Stücke. Seqenenre achtete ihn, würde ihm aber niemals trauen. Er forderte eine Ergebenheit, die seine Priester zu wildäugigen Löwenjungen machte. Nie hatte er Horus, seinem Neffen und Osiris’ Sohn, verziehen, dass er ihm halb Ägypten fortgenommen hatte, und selbst wenn Seqenenre ihm huldigte, Seth würde dem lebenden Horus-im-Nest keinen Gefallen erweisen. Umso größer war die Beleidigung, vor einem Wesen halb Seth, halb Sutech zu stehen, das Apophis in den neuen Tempel setzen wollte. Krank im Herzen machte Seqenenre seinen Fussfall vor Amuns gütigem Lächeln und seinen buschigen goldenen Federn.
Häufig fuhr er nicht über den Fluss zum Besuch im Totentempel seines Vorfahren Mentuhotep-neb-hapet-Re, denn der lag ein gutes Stück entfernt von seinen anderen Ahnen und seinen kürzlich verstorbenen Verwandten
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