Der fremde Pharao
runde geschminkte Gesicht.
»Du bist sehr freundlich, Teti«, sagte er mit belegter Stimme, »aber ich weiß nicht, was du dabei tun kannst.«
»Ich kann mich in Auaris für deinen Vater einsetzen. Der Einzig-Eine weiß, dass meine Treue unfehlbar ist. Ich kann ein taktvoller Vermittler sein und in diesen bösen Zeiten Öl aufs Wasser gießen. Ich kann deinen Vater auch besuchen und ihm Vernunft und Selbsterhaltung predigen, falls seine Ängste unerträglich werden.«
Auf einmal wusste Si-Amun, was jetzt kommen würde. Er krümmte sich innerlich und wünschte sich flehentlich, dass er das Thema nie angeschnitten hätte, fragte sich jedoch, ob sich das nicht ohnedies ergeben hätte. Er konnte nicht mehr zurück, nachdem er seine Sorge um seinen Vater laut geäußert hatte. Das würde roh wirken. Er konnte Tetis Hilfsangebot nicht abschlagen, denn damit würde er das Problem verniedlichen und seine eigenen Worte als Übertreibung hinstellen. Doch es sind gar nicht meine Worte gewesen, obwohl ich sie im Herzen gehegt habe, dachte er, während Teti ihn gütig ansah. Teti hat sie laut geäußert, nicht ich.
»Aber wenn ich helfen soll, muss ich auch wissen, wie es um Seqenenre steht«, fuhr Teti jetzt fort. »Jemand, der ihn lieb hat, muss mich informieren, damit ich im Nu nach Waset kommen kann.« Als er Si-Amuns Miene sah, schüttelte er heftig den Kopf. »Nein, nein, nein, mein treuer junger Mann! Ihr Götter! Glaubst du etwa, ich bitte dich, deinem Vater nachzuspionieren?« Seine dichten schwarzen Brauen zogen sich hoch. »Na ja, irgendwie ist es schon so, aber ich bitte darum, weil ich ihn gern habe, Si-Amun. Lass es nicht zu, dass Apophis Seqenenre vernichtet! Hilf mir, damit ich ihm helfen kann!«
Es ist eine vernünftige Bitte, dachte Si-Amun, ja, sogar eine gefährliche. Teti selbst kann beim Einzig-Einen in den Geruch einer Verschwörung mit Vater geraten, wenn zu viele Briefe von Chemmenu nach Waset und zurück gehen. Was kann an einem solchen Ausdruck von Sohnesliebe falsch sein? Dennoch zögerte er. »Na gut«, sagte er widerstrebend, »aber mein Vater wäre böse, wenn er glauben müsste, dass ich seinem Urteil in dieser Sache nicht traue und mich auf deins verlasse. Du hast Recht, man muss ihn zu seinem eigenen Besten überwachen, aber …«
Teti zog einen Ring vom Finger und zeigte ihn Si-Amun. »Das ist mein Familiensiegel«, sagte er. »Damit siegele ich meine Briefe an dich. Du wiederum schreibst mir unter dem Siegel – wovon? Was soll es sein?«
»Ein Nilpferd«, sagte Si-Amun langsam.
»Sehr gut.« Teti schob den Ring zurück auf den dicken Finger. »Du weißt, dass Mersu, der Haushofmeister deiner Großmutter, im selben Dorf aufgewachsen ist wie mein Haushofmeister, ja? Du kannst Mersu Botschaften für mich geben, er wird sie nach Norden schicken. Du und Ramose, ihr kennt euch seit Kinderzeiten. Du kannst sagen, sie sind für ihn. Oder du sagst gar nichts und lässt Mersu denken, was er will. Aber angesichts der Treue zu deiner Familie wird er gewisslich verstehen.«
Teti stemmte sich hoch, winkte, und die wartenden Diener sprangen auf und rollten die Matten zusammen. Die Sänftenträger machten sich bereit. Si-Amun kam auch hoch. »Aber du sprichst mit dem König?«, sagte er mit belegter Stimme. »Du versicherst Apophis, dass mein Vater ihm wirklich treu ergeben ist?«
»Natürlich.« Teti trat näher und schloss den jungen Mann in die Arme. »Es ist gut so, Si-Amun, du kannst mir glauben. Vielleicht sind wir närrisch, du und ich.« Er ließ Si-Amun los, und sie gingen zu den Sänften. Als sie aus dem Schatten traten, prallte die Sonne unbarmherzig auf sie herab. »Vielleicht löst sich das Ganze von selbst auf, und wir lachen noch einmal über unsere Bedenken.« Si-Amun gab keine Antwort. Ich kann noch immer nach Haus fahren und nichts unternehmen, dachte er, als er es sich in der Sänfte bequem machte und die Vorhänge zuzog. Ich kann tun, als ob nichts gewesen ist. Aber er wusste, das ging nicht. Der geheime Zorn seines Vaters auf Apophis musste irgendwie abgelenkt, unschädlich gemacht werden, sonst zerstörte er sie allesamt.
Sie blieben einen Monat in Chemmenu, aßen, tranken und schliefen, unterhielten sich mit Tetis Besuchern und suchten regelmäßig den Thot-Tempel auf. Seqenenre ging einmal in den Seth-Tempel und brachte ihm Gaben, seltenen Wein und drei Goldreife, denn er wusste, dass es dem König zu Ohren kommen und ihn erfreuen und beruhigen würde. Doch man ließ ihn
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